Landkreis Hameln-Pyrmont ändert Zählweise: Weniger Corona-Tote

Vier Menschen, die im Zusammenhang mit Corona gestorben sind, werden in der Statistik des Landkreises Hameln-Pyrmont plötzlich nicht mehr mitgezählt. Acht weitere, die das Gesundheitsamt als Indexpersonen geführt hat, also als nachweislich Infizierte, tauchen ebenfalls nicht mehr auf. Woran liegt das? Verkürzt könnte man sagen, das Gesundheitsamt zählt nun so, wie es das Landesgesundheitsamt und das Robert-Koch-Institut von Anfang gemacht haben: Ein coronaverdächtiger radiologischer Befund der Lunge als ausschlaggebende Diagnose für eine Infektion mit Sars-Cov-2 wird nicht mehr mitgezählt. Ebenso fällt der Antikörpernachweis – ebenfalls eine Person in der Statistik – raus. In einer Pressemitteilung bezeichnete die Behörde den Vorgang vorletzte Woche als „Datenbereinigung“ im Rahmen einer Systemumstellung. Radiologische Befunde sind unspezifisch: Doch was steckt dahinter? Professor Jens Vogel-Claussen, Radiologe an der Medizinischen Hochschule Hannover, drückt es gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt so aus: „Diese radiologischen Befunde sind vergleichbar mit denen von SARS und MERS, aber auch der H1N1-Influenza (also der Schweinegrippe), der Cytomegalovirus-Pneumonie oder der atypischen Pneumonie“. Die Veränderungen in der Lunge könnten am Ende also auch eine andere Ursache haben, sie sind im medizinischen Sinne unspezifisch. Andersherum könne „ein negatives PCR-Testergebnis eine Infektion mit Covid-19 nicht ausschließen, erklärt auf Nachfrage Natalie Arnold, Pressesprecherin des Sana-Klinikums. In solchen Fällen ist das CT, das nach Angaben des RKI bei rund 85 Prozent der Covid-19-Erkrankten Veränderungen aufzeigt, oft ein wertvoller Hinweisgeber. Der Virologe Christian Drosten erklärte es in seinem Podcast so: Das Virus kann vom Rachen in die Lunge abrutschen und sich dort vermehren – ohne dass es im Rachen nachweisbar ist. Der nicht immer zuverlässige Rachenabstrich und die Überforderung der Labore hätten bereits in Wuhan für Verunsicherung gesorgt, da sei die Computertomografie ins Spiel gekommen. Intern bereits ab April geändert: Auf die diagnostische „Grauzone“ ist letztlich auch die Differenz in den Statistiken des Landkreises und des Landesgesundheitsamtes zurückzuführen. „Wir haben solche Fälle in einem sehr frühen Stadium des Infektionsgeschehens mitgezählt, da wir nicht ausschließen konnten, dass sich die Zählweise nicht doch noch ändern würde“, sagt Sandra Lummitsch, Sprecherin des Landkreises, denn „das war durchaus im Gespräch“. Intern wurden die Fälle auf Nachfrage bereits ab April anders bewertet. Die Daten seien nun im Rahmen Systemumstellung bereinigt worden. Bei Nachfragen habe man die Diskrepanz aber „mehrfach entsprechend nachvollziehbar erläutert“, heißt es vom Landkreis. Das CT hat dennoch weiterhin Gewicht – auch auf dem Totenschein: Nach dem Infektionsschutzgesetz müssen die Ärzte weiter nicht nur den Tod und die Infektion im Zusammenhang mit Corona melden, sondern auch den Verdacht der Erkrankung. „Für die Todesursache auf dem Totenschein werden klinische, radiologische und Labor-Befund sowie Anamnese und Krankheitsverlauf herangezogen. Ohne Labornachweis (also ohne positives PCR-Testergebnis), aber mit „positivem“ CT ist der Patient an einer Viruspneumonie verstorben, was allerdings nicht ausschließt, dass zusätzlich der Verdacht auf Covid-19 auf der Todesbescheinigung vermerkt wird“, erklärt Natalie Arnold. Lesen Sie auch: So kommen Abweichungen bei Corona-Fällen und Inzidenzwert in Schaumburg zustande von Dorothee Balzereit