Minden: Mit neuer Diagnosemethode Metastasen entdeckt

Gesetzliche Krankenkassen bezahlen nicht alles, was Arzt oder Apotheker empfehlen. Mitunter geht es dabei um Leistungen, die erhebliche Auswirkung auf den Gesundheitszustand von Patienten haben. So wurde vor zwei Jahren bei Peter Walther Prostatakrebs diagnostiziert, der so weit fortgeschritten war, dass die Vorsteherdrüse komplett entfernt werden musste. „Zunächst verlief der Heilungsprozess so wie bei vielen Männern normal“, sagt der 69-Jährige, der in Minden lebt. Doch dann stellte sich bei Nachuntersuchungen heraus, dass ein Wert der Diagnostik – der sogenannte PSA-Wert – kontinuierlich anstieg. „Das war ein Zeichen auf mögliche Metastasen“, befürchtete Walther damals, weil nach einer derartigen OP ein solches Risiko bleibt. Zudem sei sein Krebs sehr aggressiv gewesen. Walther hofft auf Übernahme: Eine Untersuchung des Beckens mithilfe einer Computertomografie (CT) in Minden ergab jedoch keinen Hinweis auf neue Krebszellen. Da der PSA-Wert weiter stieg, schlug der behandelnde Urologe eine empfindlichere Diagnose-Methode vor: eine Positronen-Emissions-Tomografie (PSMA-Pet-CT). Dieses bildgebende Verfahren der Nuklearmedizin wird im Mühlenkreis im Johannes-Wesling-Klinikum und im Herz- und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen angeboten. An letzterem Standort ließ sich Walther dann im März untersuchen und nahm einen niederschmetternden Befund entgegen. „Ich hatte Metastasen im Hinterkopf und im Becken“. Er ist sicher, dass er ohne dieses Ergebnis und der damit verbundenen zeitnahen Therapie heute einen wesentlich schlechteren Gesundheitszustand hätte. Im Juni ließ er sich in der Praxis für Strahlentherapie am Johannes-Wesling-Klinikum behandeln. Mittlerweile erhält er eine Hormonentzugstherapie, die das Wachstum der Metastasen eindämmen soll. „Das hat viele Nebenwirkungen, ich leide unter Muskelschmerzen und Müdigkeit“, klagt der Rentner. Das allerdings ist nicht das einzige, was ihn stark beschäftigt. Da es nicht sicher war, dass die gesetzliche Krankenkasse die PSMA-PET-CT nach der folgenreichen Krebsoperation bezahlt, ließ er sich wegen der knappen Zeit auf eigene Rechnung in Bad Oeynhausen untersuchen und schickte einen Antrag zur Kostenübernahme in Höhe von 1.250 Euro an seine Kasse. Dem fügte Walther noch einen ausführlichen Bericht des Facharztes bei. „Bei lebensbedrohlichen Situationen in Verbindung mit Heilungschancen genehmigen Krankenkassen oftmals die Diagnostik und übernehmen die Kosten“, hoffte der Patient. Krankenkasse lehnt Übernahme ab: Doch das war dann doch nicht der Fall. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) begutachtete das Anliegen und stellte fest, dass Walther keine „akut lebensbedrohliche, regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung im Sinne eines medizinischen Notstandes“ diagnostiziert worden war. Daher sei die PSMA-PET-CT-Untersuchung nicht erforderlich gewesen. Die Krankenkasse verweigerte daraufhin die Übernahme der Kosten für jene Untersuchung, die die Metastasen in Walthers Körper ans Licht brachte. Der reagiert auch heute noch aufgebracht und spricht von einem Skandal. „Dieser Skandal ist umso verwerflicher wenn man berücksichtigt, dass zig Milliarden Euro für irgendwelche Coronahilfen und sonstiges ausgegeben werden, aber für Krebspatienten, die unter tödlicher Bedrohung stehen, kein Geld für Diagnostik da ist.“ Vielen Patienten geht es ähnlich: Krankenkassen orientieren sich bei Entscheidungen wie in Walthers Fall am Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), einem übergeordneten Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Bislang hat diese Instanz bei zehn Erkrankungsbildern mit Tumoren festgestellt, dass PET-CT-Untersuchungen sinnvoll sind – Patienten mit Prostatakrebs stehen aber noch nicht auf dieser Liste. Lesen Sie auch: Krankenkassen müssen Heilpraktiker und Feldenkrais nicht bezahlen Wie Walther feststellen musste, hat das für viele Männer fatale Folgen. Wenn er seine Zeit in Wartezimmern für Untersuchungen und Behandlungen verbringt, kommt er mit anderen Patienten ins Gespräch. „Ich habe noch sechs weitere Betroffene aus anderen gesetzlichen Krankenkassen kennengelernt, denen es ebenso ergangen ist wie mir.“ Und Walthers Urologe Dr. Kai Moerkerk sagt: „Ich habe seit drei Jahren meine Praxis in Espelkamp. In dieser Zeit wurde in vier von fünf Fällen die Kostenübernahme der PET-CT-Untersuchung abgelehnt.“ Viele der gesetzlich versicherten Patienten könnten aus eigenen Mitteln das Geld dafür nicht aufbringen. Leichter hätten es da Privatpatienten, die diese Leistungen erhielten. „Ein Patient hat sich bereits einen Anwalt genommen.“ Krankenkasse räumt Verbesserungspotential ein: Die BKK teilt auf MT-Anfrage mit, dass sie nicht durch Verwaltungshandeln einzelne Personen benachteiligen wolle. Bei der PSMA-PET-CT sei allerdings der diagnostische Mehrnutzen in kontrollierten Studien bislang noch nicht belegt. Es gebe alternative Möglichkeiten, die bei vielen Versicherten erfolgreich im Einsatz seien. Allerdings räumt die BKK ein, dass es bei den Bewertungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Verbesserungspotenzial gebe bei der Einbeziehung von Patienten in Entscheidungsprozesse. Aber auch die Aufklärung von Patienten über diagnostische Maßnahmen ließe sich verbessern. Walther erhielt übrigens von seiner Krankenkasse den Hinweis, dass er gegen den Ablehnungsbescheid beim Sozialgericht Widerspruch einlegen kann. Das aber kommt für ihn nicht mehr infrage. Er sagt: „Ich bin müde. Ich will mich nicht noch weiter mit dieser Gesundheitsbürokratie herumschlagen.“ von Stefan Koch / mt

Minden: Mit neuer Diagnosemethode Metastasen entdeckt - Krankenkasse will nicht zahlen