Eine gütliche Einigung mit Kompromissen ist kaum noch zu erwarten. Die von dem Bremer Windparkbetreiber WPD Onshore geplante Mega-Anlage zwischen Degersen, Egestorf und Redderse stößt in der Bevölkerung zunehmend auf heftige Ablehnung. Nun spitzt sich auch seitens möglicher kommunaler Beschwerdeführer der Widerstand zu. Der Ortsrat Degersen hat nach einer etwa zweistündigen Diskussion zwischen Bürgern und Vertretern des Windparkbetreibers von der Gemeinde Wennigsen gefordert, gegen das 2016 verabschiedete Regionale Raumordnungsprogramm (RROP) zu klagen oder alle rechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Windkraftvorranggebiet bei Degersen zu verhindern.
Die gemeinsam verfasste Erklärung des Ortsrates hatte Ortsbürgermeister Walter Rasch schon druckfrisch zur Veranstaltung mitgebracht: Darin fordert der Ortsrat die Gemeinde auf, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, um mögliche Windkraftprojekte im Gemeindegebiet besser zu steuern. „Alle rechtlich einwandfreien Möglichkeiten müssen ausgenutzt werden, um die höchsten Windkrafträder Deutschlands nicht an Stellen entstehen zu lassen, die landschaftsplanerischen und ökologischen Kriterien widersprechen“, sagte Rasch. Der Ortsrat berufe sich auf eine Bürgerbefragung und jüngste Stimmungsbilder. „Wir haben Bürgernähe versprochen und bringen diese zum Ausdruck“, sagte Rasch. Sein persönliches Schlusswort: „Wir halten den Standort für nicht besonders glücklich oder einen schlechten Scherz.“
In der Informationsveranstaltung hatte sich zuvor abgezeichnet: Die Fronten sind verhärtet, Interessen, Sorgen und Ängste liegen weit auseinander. Die Projektentwickler Holger Groß und Heinz Herbort hatten behutsam für die Pläne von WPD geworben. Die Anzahl der geplanten Windräder mit einer deutschlandweit neuen Höhe von 241 Metern sei von sieben auf fünf reduziert worden. Zudem wollen die Betreiber zu Siedlungsgebieten einen Abstand von mindestens 1000 Metern einhalten, anstatt der geforderten 800 Meter. Kleinere Anlagen seien wegen des Deister-Windschattens nicht sinnvoll.
Weitere Argumente für den Windpark: Einhaltung aller Richtlinien gegen Lärm, Schattenwurf und bislang auch Naturschutz. Anreize für die Anwohner – außer den etwa 50 möglichen Grundstücksbesitzern mit Pachtverträgen: Beteiligung am Betrieb eines Bürgerwindrades und Windsparbriefe mit einer garantierten Rendite von 3,5 Prozent. Ein Hinweis erregte Unmut: Demnach steht laut jüngsten Entwürfen kein Windrad mehr in Barsinghausen – ausgerechnet in der Kommune, die gegen das RROP klagen will. Laut WPD wurde die Anlage wegen der nahe gelegenen Modellfluganlage verschoben.
In Degersen bewiesen die Bürger auch Einfallsreichtum wegen der Windräder: Mögliche Verwirbelung multiresistenter Keime in kothaltigen Düngemittel in Richtung Klinikum Gehrden, Landwirt Friedrich-Wilhelm Ostermeier sorgt sich wegen möglicher gesundheitsschädigender Auswirkungen des Infraschalls auf die Tiere seiner Brutei-Produktionsstätte in der Feldmark. Weitere Ängste: Schmierfette an den Rotoren, die als Aerosol verwirbelt werden, steigendes Grundwasser wegen schwerer Fundamente. WPD verwies auf die Haftpflicht des Betreibers bei nachweisbaren Schäden.
Trotzdem heizte sich die Stimmung auf – bis hin zu den Tränen einer verzweifelten Seniorin, die die Wertminderung ihres Hauses beklagte. Grünen-Ratsfrau Angelika Schwarzer-Riemer demonstrierte Weitsicht: Was denn die Alternative zur Windkraft sei, um den Atomausstieg umzusetzen, fragte sie.
Von Ingo Rodriguez