Wennigsen: Streit um einen Streuner: Tierschützer stellen Strafanzeige gegen die Gemeinde

Seinen Anfang nimmt die Geschichte im November. Sybille Schwaabe aus dem Wennigser Ortsteil Degersen fällt in jenen Tagen ein Kater auf, der in der Nähe ihres Hauses am Bönnigser Acker herumschleicht und einem Tier ähnlich sieht, das in Egestorf vermisst und per Anzeige im Internet gesucht wird. Als der Kater mehrmals auf ihrer Terrasse um Futter bettelt, versucht sie, das Tier einzufangen. Zunächst bleiben ihre Versuche erfolglos, doch am Donnerstag, 9. Januar, gelingt es ihr, den Kater zu fangen. Schwaabe fährt mit dem Kater – sie nennt ihn Bärli – zu einem Tierarzt in Wennigsen, wo sich herausstellt, dass er nicht der gesuchte Kater ist. Das streunende Tier wird noch am gleichen Abend gechippt und kastriert, und für Schwaabe ist die Angelegenheit zunächst erledigt. Tierheim nimmt Kater nicht auf: Erst am folgenden Montag erfährt sie, wie es danach weitergegangen ist: Der Tierarzt hatte das Ordnungsamt informiert, das noch am Freitag zwei Mitarbeiter in die Praxis schickte, um Bärli ins Tierheim nach Krähenwinkel in Langenhagen zu bringen. Dort wies man den Kater aber ab, „weil es sich offenbar um ein verwildertes Tier handelt, das Panik und Angst hatte“, sagt Frauke Ruhmann, die zweite Vorsitzende der Katzenhilfe Hannover, die inzwischen mit dem Fall betraut ist. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts brachten das Tier daraufhin zurück zum Wennigser Tierarzt. Weil dieser keinen Sinn darin gesehen habe, den Kater in der Praxis einzusperren, habe er den Gemeindemitarbeitern gesagt, sie sollten den Kater aussetzen. Am Waldfriedhof in der Wennigser Mark ließen sie das Tier frei. Verstoß gegen Tierschutzgesetz? „Für den Kater eine Unzumutbarkeit – und ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz“, sagen nicht nur Schwaabe und Ruhmann von der Katzenhilfe, sondern auch Karin Barnstorf und Doris Meyer, die sich seit Jahrzehnten in Wennigsen ehrenamtlich im Tierschutz engagieren. Laut Paragraf 3, Absatz 3 des Tierschutzgesetzes ist es verboten, „ein in Obhut des Menschen gehaltenes Tier auszusetzen oder es zurückzulassen, um sich seiner zu entledigen oder sich der Halter- oder Betreuerpflicht zu entziehen“. Die Tierschützerinnen werfen den Gemeindemitarbeitern vor, sich nicht um eine geeignete Unterbringung bemüht zu haben. „Ein Anruf bei uns hätte gereicht“, sagt Barnstorf. Besonders kritisch sehen die Frauen, dass die Mitarbeiter den Kater „einfach irgendwo“ ausgesetzt hätten. Auch wenn es sich um ein streunendes Tier gehandelt habe, hätte der Kater am Ursprungsort ausgesetzt werden müssen, sagt Barnstorf – also an dem Ort, an dem er eingefangen wurde. Dort hätte das Tier sein Revier zum Jagen gehabt und sich nicht mit fremden Katzen rumschlagen müssen. Jetzt sei die Gefahr groß, dass dem Tier – etwa beim Zurückwandern – etwas zustoße. „Offenbar fehlte dieses Hintergrundwissen“, bedauert Barnstorf. Mit Zetteln und auch Aufrufen im Internet suchen die Tierschützerinnen nun nach Bärli. Ordnungsamt: „Keine klassische Fundkatze“: Fachbereichsleiterin Ulrike Schubert, der das Ordnungsamt im Wennigser Rathaus untersteht, war selbst bei bei der Freilassung dabei. Sie bestreitet, dass das Ordnungsamt rechtswidrig gehandelt hat. „Das war keine Aussetzung im klassischen Sinne“, sagt sie. Sowohl Tierheim als auch Tierarzt hätten geurteilt, dass der Kater ein verwildertes Tier sei und vermutlich nie in einem Haushalt gewohnt habe. Zum Wohl des Tieres hätten beide Stellen empfohlen, das Tier wieder freizulassen. „Wenn mir das zwei so kompetente Leute empfehlen, sehe ich nicht, dass die Ordnungsbehörde schlauer sein soll als die Experten“, sagt Schubert. Der Kater sei keine klassische Fundkatze gewesen, sagt sie. Darum sieht Schubert auch das Tierschutzgesetz nicht verletzt. Ein „in Obhut des Menschen“ gehaltenes Tier sei der Kater nie gewesen. „Die Katze war wild und nach unserem damaligen Kenntnisstand nirgendwo in Obhut.“ Zu dem Zeitpunkt der Freilassung hätten die Mitarbeiter der Gemeinde nicht gewusst, dass sich Sybille Schwaabe dem Kater weiter annehmen wolle, sagt Schubert. Schwaabe habe beim Arzt oder beim Ordnungsamt „keine vollständigen Angaben gemacht“. Dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes den Kater nicht an seinem ursprünglichen Ort, sondern am Waldfriedhof aussetzten, habe ebenfalls einen logischen Grund gehabt. „Es hieß, der Kater greife andere Hauskatzen an und sei sehr wild“, sagt Schubert. Deswegen habe der Tierarzt empfohlen, ihn weiter entfernt auszusetzen, wo er dennoch „gute Chancen hat, sich durchzusetzen“. Zusammenarbeit wird schwieriger: Seit die Gemeinde Wennigsen vor drei Jahren den Vertrag mit dem Barsinghäuser Tierschutzverein gekündigt hat, ist das Ordnungsamt für Fundtiere zuständig. Der Tierschutzverein möchte das wieder ändern und führt regelmäßige Gespräche mit der Gemeindeverwaltung. Der Fall zeige, dass „Tierschutz nicht in die Hände von Behördenmitarbeitern“ gehöre, sagt der Vorstand. Fachbereichsleiterin Schubert sieht vor allem die Strafanzeige kritisch. „Das ist keine geeignete Art, um mit uns im Gespräch zu bleiben“, sagt sie, „für die zukünftige Zusammenarbeit ist das schwierig.“ Lesen Sie auch: Tierschützerinnen beklagen Unwissenheit vieler Katzenhalter Bredenbecker planen einen Garten zum Teilen Von Lisa Neugebauer

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