Clubs in Hannover: Wo kann ich nach der Pandemie noch tanzen gehen?

Seit fast genau einem Jahr sind die hannoverschen Clubs wegen die Corona-Krise geschlossen. Im Sommer gab es einige Vorstöße, aus den Diskotheken kleine Bars zu machen oder Open Air-Veranstaltungen anzubieten. Getanzt wurde dabei höchstens in abgesperrten Bereichen. Das hannoversche Club-Leben liegt brach: Eine Umfrage des Netzwerk „Klubnetz“ hat ergeben, dass seit März 2020 insgesamt mehr als 1100 Konzerte ausgefallen sind, außerdem etwa 1500 Partys und weitere Veranstaltungen. Mehr als 7600 Musiker und Musikerinnen sowie DJs konnten nicht auftreten. „Die Situation ist belastend. Die Szene hat sich wie eine Schildkröte in den Panzer zurückgezogen und hofft, irgendwann wieder herauszublinzeln. Das Überleben ist halbwegs – vor allem durch Bundesprogramme – gesichert, aber die Aussichten sind trübe“, sagt Gunnar Geßner vom Klubnetz. Trotzdem geben die Klubbetreiber die Hoffnung auf reguläre Öffnungen nicht auf und setzen dabei auf die Unterstützung durch die Politik und die Stammgäste. Ein Streifzug durch die Klublandschaft in Hannover: Subkultur: Fans sammeln für eine Belüftungsanlage: Ohne die Stammgäste würde es dem Klub Subkultur in der hannoverschen Nordstadt richtig schlecht gehen. „Sie kaufen T-Shirts und helfen sogar bei der Finanzierung einer neuen Belüftungsanlage“, sagt Betreiber Jens Klostermann nicht ohne Stolz. Mehr als 5000 Euro seien so schon zusammengekommen. Außerdem kann Klostermann auf den Rückhalt des Vermieters zählen. Er blickt daher verhaltend optimistisch in die Zukunft. „Selbst wenn der Klub 2021 komplett geschlossen bleibt, wird es uns danach noch geben.“ Man könne aber nichts planen. „Was für uns besonders schwierig ist, ist die Perspektivlosigkeit.“ Denn wenn der von der Landesregierung geplante Stufenplan greife und man erst bei einem Inzidenzwert von unter zehn aktiv werden könne, bleibe es schwierig für Besucher, die nötigen Abstände einzuhalten. Die Subkultur-Tanzfläche bietet 77 Quadratmeter Platz. „Ich könnte sieben Leute reinlassen. Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen. 2021 ist wahrscheinlich tot.“ Das Team plant, im Sommer Open Air-Veranstaltungen anzubieten. Im Béi Chéz Heinz gibt es nun Homeshopping-Schnaps: „Bei uns ist es finanziell knapp“, sagt Jürgen Grambeck vom Béi Chéz Heinz in Limmer. Die November- und Dezember-Hilfen seien angekommen. Auch die sogenannte Überbrückungshilfe stützt den Kellerklub. „Wir haben Kosten von etwa 7000 Euro im Monat. Etwa 2500 Euro sind nicht gedeckt. Darin sind zum Beispiel Personalkosten enthalten. Denn natürlich bilden wir weiter aus.“ Auszubildende könne man nicht in Kurzarbeit schicken. „Sie müssen angeleitet werden.“ Der Club sammelt Geld über den Verkauf von T-Shirts, bedruckten Beuteln und Kalendern. Das Team lädt im Netz sogar zu seiner Art Homeshopping ein und wirbt zum Beispiel für eigenen Tomatenschnaps. „Wir haben 2020 einen Verlust von etwa 30.000 Euro gemacht. Darin sind auch viele Abschreibungen enthalten.“ Diese 30.000 Euro fehlen aber schon mal, wenn es an den Neubau geht, der wegen des geplanten Abrisses des Fössebads nötig wird. „Aber wir konzentrieren uns derzeit nur auf die nächsten Monate. Mit Bauchschmerzen schaffen wir es, dieses Jahr zu überstehen.“ Der Club hofft weiterhin auf die Solidarität der Stammgäste. Osho Baggi, Palo Palo, RP5 Stage: Am Raschplatz wird wieder umgebaut: Martin Polomka führt am Raschplatz die Clubs Osho, RP5 Stage und das Palo Palo. Derzeit renoviert er mal wieder das Palo Palo. „Es ist einfach langweilig. Wir haben alle Klubs nun schon mehrfach aus- und eingeräumt, sortiert und rumgemuckelt“, sagt Polomka. „Wir haben auf die Impfungen gehofft. Nun können wir nur weiter hoffen, dass es möglichst schnell geht.“ Optimistisch ist Polomka dabei nicht. „Die Impfpolitik ist enttäuschend. Ich glaube nicht, dass wir in diesem Jahr noch öffnen.“ Die Überbrückungshilfen und Fördermaßnahmen seien zum Teil angekommen. „Aber ohne meinen Steuerberater steige ich kaum noch durch, wann welche Hilfe eventuell greift.“ Die Clubs seien wirtschaftlich gut aufgestellt. Aber ohne Clubkultur fühle es sich sehr leer an. „Was fehlt, ist ein Masterplan“, sagt Polomka und hofft auf eine echte Öffnungsperspektive. Faust setzt auf neue Veranstaltungskonzepte: Das Kulturzentrum Faust in Linden bot vor der Pandemie vor allem am Wochenende Hunderten Menschen einen Diskobetrieb mit mehreren Tanzflächen. Nun ist auf den Tanzflächen ein TV-Studio entstanden, dass Kultursendungen streamt. „Wir fahren auf Sicht und setzen auf neue Konzepte“, sagt Sprecher Jörg Smotlacha. Finanziell hält das Kulturzentrum durch. „Aber es hakt in den Strukturen. Denn erste Techniker suchen sich andere Beschäftigungen. Studentische Hilfskräfte in der Gastronomie oder aus der Clublogistik gehen verloren. Die gewachsenen Strukturen bröckeln.“ Es werde schwierig, einfach wieder mit dem Diskobetrieb loszulegen. Smotlacha bleibt dennoch optimistisch. Denn bis zu einer kompletten Öffnung hat Faust noch das Streaming-Programm und weitere Pläne wie ein Dinner-Theater. Lux: Noch Jahre bis zum Normalbetrieb? Auch das Lux am Schwarzen Bär ist seit fast einem Jahr geschlossen. „Wir haben keine Perspektive für eine Öffnung“, sagt Dirk Sadlon. Denn eine Öffnung mit Abständen auf der Tanzfläche wäre keine Option. „Es geht nur ganz oder gar nicht. Sonst rechnet sich der Klub wirtschaftlich nicht.“ Die Hilfen seien zum Teil angekommen. Ein großer Teil der Fixkosten werde übernommen. „Aber die Restkosten bleiben. Und wir haben null Euro Einnahmen.“ Die Situation sei schwierig. Daher brauche der Club weitere Hilfen bis zu Eröffnung. An eine Wiederaufnahme des Betriebs in diesem Jahr glaubt Sadlon nicht. „Wir sind keine Wahrsager und wollen nicht spekulieren.“ Es werde trotzdem dauern, bis das Publikum auch nach einer Öffnung wiederkommen wird. Bis zum Normalbetrieb könnten noch Jahre vergehen. Funpark-Team setzt auf Open Air-Veranstaltungen: Seit 20 Jahren gibt es die größte Diskothek Hannovers, den Funpark auf dem Expo-Gelände. Auf 2000 Quadratmetern feiern dort in der Regel Hunderte Besucher und Besucherinnen zu den Klängen angesagter DJs. Im Lockdown blieb der Park geschlossen. Im Sommer lud Betreiber Nexhdet Hoxhaj zu Open Air-Partys auf der Plaza. Zur Zukunft des Klubs möchte er nichts sagen. Im April sollen zumindest die im Herbst abgesagte Open-Air-Partys nachgeholt werden. Im Rockhouse wächst die Angst vor einem dritten Lockdown: Das Rockhouse in der Innenstadt hat schon früh auf die Corona-Krise reagiert. Betreiber Holger Schön baute sogenannte Escape-Räume in die Disko und lud Gäste zu Rätsel-Veranstaltungen ein. Im Herbst bot er die Räume auch erfolgreich für private Tanzfeiern an. Dann kam der zweite Lockdown. „Ich bewege mittlerweile eine Menge Kredite“, sagt Schön. „Wenn der Betrieb wieder aufgenommen wird, kann ich das stemmen. Aber noch ein Lockdown wäre das Ende. Dann bricht alles zusammen.“ Von den 28 Mitarbeiter sind die meisten in Kurzarbeit. Schön baut derzeit einen weiteren Escape-Raum aus. „Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben. Es wird Tests und Impfungen brauchen.“ Schön hofft, die Räume bald wieder anbieten zu können. „Sonst wird es brutal.“ Dax-Bierbörse: wird umfangreich saniert: Nachdem in der Dax-Bierbörse im Herbst noch einmal mit Freibier gefeiert wurde und der Club damit viel Kritik auf sich zog, ist es ruhig geworden. „Wir haben seitdem komplett geschlossen und bauen um“, sagt Dominic Beister. „Wir haben den Kö Tanzpalast umfangreich umgestaltet. Und es wird insgesamt modernisiert. Die Einrichtung war ja zum Teil schon mehr als 20 Jahre alt.“ Beister versucht, positiv in die Zukunft zu schauen. „Ein Teil der Hilfsgelder ist angekommen. Wir kommen zurecht und werden es in diesem Jahr schaffen, zu überstehen. Wenn alles perfekt läuft, freuen wir uns, im August wieder öffnen zu können.“ Beister glaubt an eine große Nachfrage, sobald die Clubs wieder geöffnet sind. „Manche Branche dürfte es härter treffen als uns, wenn ich mir die Innenstadt und den wachsenden Online-Handel anschaue. Wir sind überzeugt, dass die Menschen wieder feiern wollen.“ Beister glaubt an Umsätze wie im Jahr 2019 – dem zweitbesten Jahr in der Geschichte der Bierbörse. Mit Abstandsgeboten dürfte das schwierig werden. „Wir leben davon, dass die Menschen eng beieinander sind.“ Weidendamm bereitet den Neuanfang vor: Am 15. März 2020 verkündete das Team des Weidendamm die vorläufige Schließung des Clubs. „Safety first“, lautete das Motto. Es gehe darum, Mitmenschen und gesundheitlich Schwächere nicht zu gefährden. Seitdem ist der Laden, der laut „Faze“-Magazin zu den beliebtesten Elektro-Klubs Deutschlands gehört, geschlossen. „Es ist natürlich schade, nicht für unsere Gäste öffnen zu können“, sagt Booker Felix Böttcher. „Aber wir sind wirtschaftlich gut aufgestellt und freuen uns auf die Zeit nach der Pandemie.“ Pläne für diese Zeit gebe es reichlich. Es soll aber noch nichts verraten werden. Monkey’s: Ferry Ghods produziert Musik für die Zeit nach dem Lockdown: „Ich habe so lange die Theke abgeschliffen, bis sie nicht mehr da war“, sagt Ferry Ghods vom Raschplatz-Klub Monkey’s. „Und eigentlich möchte ich nicht mehr über die Corona-Thematik sprechen.“ Der Klub sei gut aufgestellt, ein Teil der politischen Hilfen sind angekommen. „Wir müssen einfach warten.“ Den Klub aufgeben? Kommt für den DJ nicht infrage. „Der Klub ist eine Herzensangelegenheit und ich hoffe, dass die Menschen wiederkommen, sobald es wieder geht.“ Ghods glaubt, dass es eine gewisse Skepsis auch nach der Impfphase geben wird. „Ich habe seit den Achtzigerjahren so viel im Bereich Clubkultur erlebt. Nun hoffe ich, dass das Nachtleben nicht ausgerechnet mit Corona endet.“ Ghods versucht positiv zu denken und möchte keine Öffnungsprognosen abgeben. „Ich nutze die Zeit, um möglichst viel gute Musik zu produzieren.“ Der Glitzerkeller kann schnell wieder hochgefahren werden: Das Team von Mario Hasser und Roy Dunkel betreibt neben dem Glitzerkeller an der Hallerstraße auch die Strandwärts-Beachbar, die Stardust-Bar und das Restaurant Milano. Aktuell wird aufwendig umgebaut. So soll das Milano ein neues Konzept bekommen. „Wir reißen alles raus und bauen um“, sagt Dunkel. Die Betreiber sind vor allem enttäuscht von der Politik. „Es dauert ewig bis die Hilfen ankommen“, sagt Dunkel. „Wir verdienen keinen Cent.“ Trotzdem bleibt das Team positiv gestimmt. „Wir können den Betrieb schnell wieder hochfahren.“ Nur der Zeitpunkt dazu bleibt unklar. „Wir können einfach nur hoffen, dass es weitergeht.“ Den Kulturpalast retten bisher die Staatshilfen: Die Betreiberin des Lindener Kulturpalasts, Simone Beer, wartet noch immer auf die Novemberhilfen. „Es ist schon sehr schwierig.“ Im Klub laufen neben vielen Konzerten auch immer wieder Partys. „Seit dem Lockdown ist alles tot.“ Beer hofft auf Förderung und arbeitet an Konzepten. „Aktuell versuche ich im Bereich Film und Podcast Projekte umzusetzen“, sagt Beer. Wenn weiterhin Hilfen ankommen, wird der Kulturpalast das Jahr 2021 überstehen. „Ich hoffe, dass wir dann wieder kostendeckende Veranstaltungen anbieten können. Denn die Gäste haben große Lust auf Kultur und Nachtleben.“ Von Jan Sedelies

Baggi, Weidendamm, Lux und Faust - wann öffnen Hannovers Clubs wieder?