Kommentar zu Hannovers Maritim-Hotel: Der Investor narrt die Stadt

Wenn Hannoveraner ihr altes Auto unangemeldet am Straßenrand vergammeln lassen, klebt binnen weniger Tage eine Abschleppandrohung an der Windschutzscheibe. Für das Wegwerfen einer Brötchentüte oder einer Zigarettenkippe am Gehwegrand sind erst kürzlich die Bußgeldhöhen angehoben worden. Wenn aber ein sogenannter Investor über Jahre an prominentester Stelle der Stadt seine Immobilie vergammeln lässt, drohen ihm keine Konsequenzen. Das ist schwer zu ertragen. Intown in Hannover: Minimaler Aufwand, maximale Rendite: Selbst den wohlmeinendsten Politikern im Rathaus ist längst klar, dass Intown auf Zeit spielt – und versucht, mit geringstmöglichem Aufwand seine Rendite zu maximieren. Das Berliner Unternehmen hatte schon bei der Übernahme von Großteilen des Ihme-Zentrums große Töne von sich gegeben: von Verantwortung war da die Rede und von „langfristigem Interesse“. In einem Interview mit der HAZ hatte der damalige Geschäftsführer auf die Frage, ob er eine Heuschrecke sei, Wegweisendes gesagt: „Als Heuschrecken bezeichnet man in der Immobilienbranche Unternehmen, die Schrottimmobilien billig kaufen, wenig sanieren und bald mit Gewinn weiterverkaufen.“ Und das wies er für seine Firma weit von sich. Genau das aber erlebt Hannover mit Intown, die inzwischen in der Linaeo-Gruppe aufgegangen sind, bereits zum zweiten Mal. Das Wort „Investor“ kommt von „investieren“. Insofern kann man Intown im Zusammenhang mit seinen hannoverschen Projekten nicht so nennen. Bisher nichts investiert: Das Ihme-Zentrum wurde schnell verkauft, als den Managern in Berlin klar wurde, was für eine Mammutaufgabe sie sich ans Bein gebunden hatten. Das Gleiche droht jetzt beim alten Maritim: Längst ist das Fondsunternehmen, das bisher nichts investiert hat, auf dem Absprung und sucht nach Käufern. Man mag das für normal in unserer heutigen Zeit halten. Aber es darf daran erinnert werden, dass gerade die Immobilienbranche mal eine war, in der langfristig kalkuliert und Wort gehalten wurde. Die Idee, den im Stadtmaßstab völlig überdimensionierten Betonriegel am Friedrichswall zu schleifen und durch zwei einzelne Baukörper zu ersetzen, hat Charme. Schon beim Auszug des Maritim und der Neuverhandlung des Erbbaurechtsvertrags mit Projektentwicklern 2014 stand das Thema immer wieder im Raum, das Gebäude abzureißen und dann einen Neubau um 90 Grad versetzt zu installieren. Das hätte dem Bau zumindest die Barrierewirkung genommen. Gelegenheit vertan: Die Gelegenheit ist damals vertan worden. Für eine zweite Chance ist es bekanntlich nie zu spät – schließlich hat die Stadt als Grundstückseigentümerin und Erbpachtgeberin viel Gestaltungsspielraum. Nur: Ausgerechnet mit Intown sollte man sich auf keine Vertragsveränderungen einlassen. Das Unternehmen narrt die Stadt. Es hat mehrfach bewiesen, dass ihm die Renditewünsche seiner Anlieger wichtiger sind als die Befindlichkeiten Hannovers. Das Gute ist: Die Zeit spielt für Hannover. Intown hat maximal drei Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung, um die Sanierung sichtbar voranzutreiben – danach darf die Stadt aus dem Vertrag aussteigen. Die Verwaltung beteuert, dass sie „permanent eine konsequente Überwachung der vertraglich vereinbarten Regelungen“ vornehme. Aktuell sei die Friedrichswall GmbH aber noch im Bauzeitenplan. Schandfleck lange genug ertragen: So oder so: Entweder bekommt Hannover ein zwar überdimensioniertes, aber zeitgemäßes Hotel am Friedrichswall. Oder die Bürger erhalten die Gestaltungshoheit über die Fläche zurück. Den Schandfleck gegenüber dem Rathaus haben wir lange genug ertragen. Von Conrad von Meding