Urteil in Hannover nach Bunkerabriss: Mieter müssen Baulärm nicht klaglos dulden

Überall entstehen in Hannover Neubauten. Doch vor allem, wenn vorab marode Bauten abgerissen werden müssen, kann die Lärmbelästigung erheblich an den Nerven der Nachbarn zerren. Hannovers Amtsgericht hat jetzt im Fall des Bunkerabrisses Bömelburgstraße geurteilt: Bei extremer Lärmbelästigung dürfen Mieter ihre Zahlungen um bis zu 50 Prozent kürzen. Das Nachsehen haben im Zweifelsfall die Vermieter, wenn sie sich trotz erheblicher Lärmbelästigung nicht gekümmert haben. Bunkerabriss in Hannover: Mieter dürfen Miete senken: Fünf Monate lang hämmerten die Großbagger an dem Hainhölzer Weltkriegsbunker, immer wieder gab es Lockerungssprengungen an den meterdicken Wänden. Ein Anwohner demonstrierte mit Videoaufnahmen eines Wasserglases in seiner Wohnung, wie sehr die Erschütterungen den Alltag der Nachbarschaft beeinträchtigten. Amtsrichter Carsten Knepper urteilte nun: Zwar müssen Mieter nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) gewisse Lärmmengen in ihrer Nachbarschaft hinnehmen. Wenn aber die Belästigung sowohl zeitlich als auch akustisch Dimensionen annähme, die außerhalb der „üblichen Grenzen“ lägen, sei die Qualität des Mietverhältnisses derart gestört, dass die Zahlung reduziert werden dürfe. Im konkreten Fall hielt Richter Knepper eigentlich 50 Prozent für angemessen. Trotzdem bekommt der Hainhölzer Kläger nur 18 Prozent erstattet – weil er nicht mehr beantragt hatte. Bitter für die Vermieter: Sie müssen auf Mieteinnahmen verzichten, obwohl sie selbst gar nicht Verursacher des Lärms sind. BGH: Vermieter in der Pflicht: Der BGH hatte Anfang 2020 entschieden, dass es Sache der Vermieter ist, sich gegen Lärmüberschreitungen auf Nachbargrundstücken zur Wehr zu setzen oder Entschädigungen einzufordern. Können Sie im Rechtsstreit, wie jetzt im Fall des Hainhölzer Bunkers, nicht nachweisen, dass sie sich wenigstens gekümmert haben, haften sie voll. Ärger um lautstarke Abrisse gibt es immer wieder. Im Zooviertel hatte sich der Abriss eines Bunkers zum Leidwesen der Anlieger monatelang hingezogen, auch beim Tiefbunker Klagesmarkt und beim Hochbunker am Herrenhäuser Markt wurden die Nerven der Nachbarn stark strapaziert. Zuletzt waren Anwohner im Nikolaiviertel nahe dem Astor-Kino die Leidtragenden, wo ein Nachkriegs-Wohnhaus fast elf Monate lang mit großen Teleskopbaggern zertrümmert wurde. „Anwohner partizipieren nicht“: Nikolaistraßen-Bewohner Gerrit Ippen kritisiert, dass Baugesellschaften und Wohnungsunternehmen mit Abriss und Neubau viel Geld verdienten. „Allein die Anwohner partizipieren finanziell nicht, müssen aber mit den Beeinträchtigungen durch Lärm und Schmutzimmissionen während der Bauzeit leben“, sagt Ippen. Mieterbund: Belästigung gut dokumentieren: Randolph Fries vom hannoverschen Mieterbund weist darauf hin, dass lautstarke Bauarbeiten vor allem in Corona-Zeiten erheblich nerven können. „Wenn Sie den gesamten Tag im Homeoffice sind und dann Lärm ertragen müssen, ist es eine wirkliche Einschränkung der Mietsache.“ Der BGH habe zwar auch von Mietern Toleranz eingefordert für innerstädtische Baustellen. Weil aber Mieter keinen Schadensersatzanspruch gegen den Verursacher auf einem Nachbargrundstück haben, müsse der Vermieter sich kümmern. „Deshalb ist es im Zweifelsfall wichtig, dass Mieter den Lärm gut dokumentieren – wie in diesem Fall gerne auch mit aussagekräftigen Videos.“ Haus & Grund: Vermieter in der Nachweispflicht: Beim Immobilien-Eigentümerverein Haus & Grund betont Geschäftsführerin Mady Beißner allerdings, dass aus dem Urteil keineswegs eine automatische Mietminderung abzuleiten sei. Könne der Vermieter nachweisen, dass er selbst den Mangel nicht abwehren kann und ihm auch keine Entschädigungsansprüche zustehen, bestehe kein Minderungsrecht. Dann sei es „nur recht und billig“, wenn auch die Wohnungsmieter die Last mit ertrügen. Von Conrad von Meding