Widersprüche in Schaumburgs Corona-Regeln: Warum Jogger keine Maske tragen müssen

Die Corona-Verordnung des Landes und manche Allgemeinverfügungen der Kreisverwaltungen verlangen uns mit ihren Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie viel ab. Manche Regeln leuchten auf den ersten Blick ein – manche jedoch nicht. Wir haben uns einige der scheinbaren Widersprüchlichkeiten von den Behörden erklären lassen. Hier sind die Antworten: Warum müssen Spaziergänger am Maschsee und am Steinhuder Meer einen Mund-Nasen-Schutz tragen – Jogger dagegen nicht? Stoßen Sportler nicht viel mehr Aerosole aus als Fußgänger? Seit dem 10. Januar gilt aufgrund einer Allgemeinverfügung der Region Hannover in bestimmten Bereichen des Maschsees und des Steinhuder Meers die Pflicht, Mund und Nase zu bedecken. Jogger habe man davon ausdrücklich ausgenommen, erläutert ein Sprecher der Regionsverwaltung. „Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang aber der Hinweis, dass auch für Jogger und Radfahrer selbstverständlich die Abstandspflicht gilt.“ Selbst wenn Jogger und Radfahrer aber für einen kurzen Moment die Abstände nicht einhielten, so die Region, sei dies „schon aufgrund der Geschwindigkeit nur in kurzen Momenten möglich, sodass hier nur ein geringes Risiko einer Infektion besteht“. Darüber hinaus gelte: „Die Sportler sind unmittelbar nach der Ausübung der sportlichen Betätigung – etwa beim Dehnen – verpflichtet, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen.“ Warum dürfen manche Geschäfte öffnen, andere wiederum nicht? Zum Beispiel sind überall die Billigläden von Mäc Geiz geöffnet, andere sogenannte Billigläden mit ähnlichem Angebot wie Tedi oder Euroshop sind dagegen geschlossen. Wo liegt der Unterschied? Das Angebot von Mäc Geiz ist sehr gut an die Vorgaben der Landesregierung angepasst. Nach der Corona-Verordnung müssen fast alle Einzelhändler schließen. Ausnahmen gelten für „Verkaufsstellen für die Versorgung mit Lebensmitteln oder mit Gütern oder Dienstleistungen des täglichen Bedarfs“ in bestimmten klar definierten Bereichen. Dazu gehören Lebensmittel, darum sind Supermärkte geöffnet, und Getränke, darum dürfen zum Beispiel Weingeschäfte verkaufen. Hinzu kommen unter anderem auch Drogeriebedarf oder der Tierbedarfshandel – und genau davon ist Mäc Geiz alles ein bisschen, worauf die Kette im Internet auch hinweist. Das Unternehmen sei „Nahversorger des täglichen Bedarfs“, und „anders als ähnliche Einzelhandelsunternehmen“ biete die Kette ein „umfangreiches, festes Sortiment zur Grundbedarfsdeckung an Drogerieprodukten, Lebensmitteln, Reinigungsmitteln, sowie Tiernahrung“. Laut der Corona-Verordnung des Landes sind auch Geschäfte mit einem solchen „gemischten Sortiment“ zulässig. Wenn diese Gemischtwaren nicht den Schwerpunkt des Angebots bilden, darf eben nur dieses Sortiment verkauft werden. Auch darauf weist Mäc Geiz im Internet hin: Man biete derzeit nur ein eingeschränktes Sortiment. Kosmetik-Studios sind zwar geschlossen – aber an einer Kosmetik-Akademie in Hannover findet ein Make-up-Seminar mit Models statt. Kosmetikerinnen fragen sich: Ist das erlaubt? Das Gesundheitsamt der Region Hannover bestätigt den scheinbaren Widerspruch. Berufliche Fortbildungen sind nach geltender Corona-Verordnung explizit erlaubt, sodass auch Schulungen in der Kosmetik-Branche stattfinden können. Die Veranstalter müssen allerdings die geltenden Hygienebestimmungen einhalten. Ausdrücklich nicht erlaubt sind außerschulische Weiterbildungen, weil bei ihnen der Berufsbezug fehlt. Bei dem Workshop geht es um das sogenannte Microblading, eine Form, Permanent-Make-up ohne Maschine aufzutragen. Als im Internet für die Veranstaltungen Models gesucht wurden, löste das Erstaunen aus. „Wir haben quasi Berufsverbot, und eine Kollegin darf mit ihren Kundinnen als Models solch ein Angebot machen“, ärgerte sich eine hannoversche Kosmetikerin. Doch der Vorgang ist rechtens. Handy-Shops sind plötzlich wieder geöffnet – was unterscheidet einen Telefonladen von anderen Elektronikmärkten? Tatsächlich finden sich Telefonläden nicht in der Liste der ausdrücklich von den Schließungen ausgenommenen Verkaufsstellen. Dennoch räumt ihnen die Landesregierung in der Corona-Pandemie einen besonderen Stellenwert ein. Sie seien „als Dienstleistungsunternehmen anzusehen, die die telefonische Erreichbarkeit von Menschen sicherstellen“, erklärt eine Sprecherin von Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD). „Dies gilt vor allem auch in Zeiten der Kontaktreduzierung in Folge der Corona-Pandemie.“ Touristische Busreisen sind verboten, die Züge der Deutschen Bahn und auch die Wagen des öffentlichen Nahverkehrs rollen aber weiter. Wo ist der Unterschied in der Ansteckungsgefahr? Die Landesregierung unterscheidet zwischen notwendigen und nicht notwendigen Reisen. „Aufgrund der hohen Infektionszahlen sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, auf nicht zwingend notwendige Reisen zu verzichten“, sagt die Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Gleichzeitig seien viele Menschen auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, um zum Beispiel zur Arbeit zu kommen. „Wichtig ist, die Berufsausübung auch in der Pandemie nicht zu sehr zu beschränken, um den volkswirtschaftlichen Schaden zu begrenzen.“ Praktische Fahrstunden dürfen stattfinden, Prüfungen auch – theoretischen Unterricht dürfen Fahrschulen aber nicht mehr erteilen. Bei den Prüfungen sitzen Menschen aus drei Haushalten im Auto auf engstem Raum zusammen, obwohl das nach den allgemeinen Kontaktbeschränkungen eigentlich verboten ist. Warum? Die jüngste, bisher strengste Corona-Verordnung hat auch für die Fahrschulen einige Regeländerungen gebracht. „Bis zum 9. Januar gab es für uns kaum Beschränkungen“, sagt der Präsident des Niedersächsischen Fahrlehrerverbandes, Dieter Quentin. Seit dem 10. Januar verbietet ein neuer Paragraf 14a der Corona-Verordnung jeglichen Präsenzunterricht in der außerschulischen Bildung. Davon sind zum Beispiel auch Volkshochschulen oder Musikschulen betroffen – und eben die Fahrschulen, obwohl sie nicht ausdrücklich genannt sind. Für die Ausbildung von zum Beispiel Kraftfahrern macht Paragraf 14a eine ausdrückliche Ausnahme vom außerschulischen Präsenzunterrichtsverbot, und auch Prüfungen lässt die Vorschrift zu. Zur Frage, warum Fahrstunden nicht unter das Verbot des Präsenzunterrichts fallen und weiterhin erlaubt sind, macht das Gesundheitsministerium keine Angaben, sondern teilt lediglich mit: „Der praktische Fahrunterricht ist weiterhin zulässig.“ Einige – vor allem angestellte – Fahrlehrer kritisieren, dass Fahrunterricht nicht generell untersagt ist. „Einige Kollegen würden lieber in Kurzarbeit gehen“, sagt Quentin. Auch die stark unterschiedlichen Regelungen in den Ländern irritieren die Fahrlehrer: „In Hamburg und Bremen sind die Fahrschulen uneingeschränkt offen, in Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt sind Fahrschulen ganz geschlossen, Nordrhein-Westfalen macht es wie Niedersachsen. Das verstehen wir überhaupt nicht.“ Von Karl Doeleke