Unterricht und Corona: Grundschule trennt Jungen und Mädchen

Damit Schüler in Corona-Zeiten die Abstandsregeln einhalten können, müssen sie an den Schulen in halbierten Klassen lernen. Die Glockenberggrundschule in Hollenstedt (Kreis Harburg) legt diese Vorschrift nun sehr eigenwillig aus. Die Trennung der Schüler wird hier nämlich nicht nach dem Alphabet oder nach Leistung vorgenommen wie andernorts in Niedersachsen, sondern nach dem Geschlecht. Es gibt jetzt reine Mädchen- und reine Jungenlerngruppen. Man habe nach Freundschaften entschieden, argumentiert die Schule. Von Kommunalpolitikern der Grünen kommt Kritik: Nach Geschlechtern getrennter Unterricht sei rückwärts gewandt und verfestige nur alte Rollenklischees, sagt Ruth Alpers, Ratsfrau der Grünen in Hollenstedt. Land hat nichts gegen Geschlechtertrennung: Das Land stärkt der Grundschule, die sich selbst nicht öffentlich äußern will, den Rücken. Es stehe den Schulen frei, wie sie ihre Klassen teilten, sagt Bianca Trogisch von der Landesschulbehörde. Man habe in Hollenstedt nach sozialen Aspekten geteilt, und da Mädchen hauptsächlich Freundschaften mit Mädchen suchten und Jungen zu Jungen, sei es zu diesem Modell gekommen. „Die Gesellschaft ist gemischt, auch Klassen müssen gemischt sein“: Dem hält die Grünen-Politikerin Alpers entgegen, die Gesellschaft sei gemischt, also müssten auch die Klassen gemischt sein. „Man braucht den Input der Jungen und der Mädchen, und die Lehrer müssen so unterrichten, dass es beide Gruppen anspricht.“ Alpers stammt aus Bayern, ist früher selbst in Mädchenschulen („Grundschule und Gymnasium“) gegangen und hat nach eigenem Bekunden immer neidisch nach Norddeutschland geschaut, wo Mädchen und Jungen gemeinsam unterrichtet wurden. „Ich hätte lieber Werken statt Handarbeiten gehabt, auch der Fokus auf die Naturwissenschaften hat mir gefehlt“, sagt sie und befürchtet Rückschritt angesichts des Vorgehens der Glockenberggrundschule. Kinder und Eltern sind zufrieden: Die Schulbehörde ist da deutlich lockerer: Die Trennung der Lerngruppen angesichts der Corona-Krise werde rein schulintern organisiert, betont Behördensprecherin Trogisch, und da sich um eine zeitlich begrenzte Aufteilung handele, die auch wieder verändert werden könne, sehe das Land keinen Grund einzuschreiten. Außerdem sei die Regelung per Videokonferenz mit dem Schulvorstand abgestimmt worden, und auch Kinder wie Eltern hätten sich laut Schulleiterin sehr zufrieden mit der Lösung gezeigt. Nur eine Mutter habe sich gegenüber der Klassenlehrerin kritisch geäußert. „Keine Dauerlösung“: Die Debatte, ob Mädchen und Jungen nicht in getrennten Gruppen besser lernen, entzündet sich immer wieder neu. Meist geht es darum, dass Mädchen sich in Naturwissenschaften unter sich mehr zutrauen als in Klassen mit Jungen. Der Fall in Hollenstedt eignet sich aus Sicht des Landes für diese Grundsatzdebatte aber nicht, da es nur um eine kurzfristige Teilung gehe. Grundsätzlich stellt die Landesschulbehörde klar, dass „der Bildungsauftrag der Schule auch die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern“ soll. Das heißt, reine Jungen- und Mädchenklassen sind keine Dauerlösung. Lesen Sie auch: So lief der Schulstart an Hannovers Grundschulen Jugendliche fühlen sich in der Corona-Krise alleingelassen Von Saskia Döhner

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