Wer sich für Jacko entschied, wählte das Phänomen, die Präzision, den Rausch. Wer sich für Prince entschied, wählte die Coolness, die Diva, das Experiment. Genial waren beide, Pop-Ikonen auch. Jetzt sind beide tot. Knapp sieben Jahre nach Michael Jackson starb Prince Rogers Nelson. Vor einer Woche war er mit Grippe ins Krankenhaus eingeliefert worden, sein Privatjet hatte dafür notlanden müssen. Am Tag zuvor war er noch aufgetreten.
Bei der Aufnahme zum Benefizsong "We Are the World" sollten beide nebeneinander stehen, doch im letzten Moment ließ Prince, der Egozentriker, Jackson und den hoch prominenten Rest des US-Musikchors sitzen. Zuvor, im Jahr 1983, hatten tatsächlich beide auf einer Bühne gestanden.
Echter Rock ’n’ Roll
Bei einem Konzert von James Brown saßen beide im Publikum und ließen sich vom Meister bitten. Erst Jackson, der King of Pop, singend, tanzend, kieksend, groovend. Dann Prince. Schon auf die Bühne torkelnd, dann minutenlang auf einer Gitarre solierend. Nach einigen Minuten stand der kleine Mann mit nacktem Oberkörper hinter dem Mikrofon, machte undefinierbare Geräusche und kippte bei seinem Abgang mitsamt einer Deko-Laterne ins Publikum. Das war echter Rock ’n’ Roll.
Und den konnte der Mann aus Minneapolis in ausgeschlafenem Zustand auch virtuos über die Rampe bringen. Er mischte Rock, Blues, Funk, Soul und Jazz, er komponierte, arrangierte, textete, und er beherrschte eine Vielzahl von Instrumenten, sodass er niemandem, im Gegensatz unter anderem zu seinem Superstarrivalen, seine musikalischen Visionen erklären musste. Nachdem Jacksons Album "Thriller" durch die Decke gegangen war, setzte Prince mit "Purple Rain" – Album und Film – sein eigenes Ausrufezeichen.
Antwort auf den King of Pop
Dreckige Gitarren, Glamrock-Attitüde und eine Körperlichkeit, die der Dirtyness seiner schroffen Gitarrensoli entsprach. Und da des Prinzen Körper bei 158 Zentimetern einfach aufhörte, musste der ganze Sex und das ganze Ego in diesen kleinen Mann. Folge: Sie quollen ihm quasi aus den Ohren heraus. Das war mal eine Antwort auf den King of Pop. Das Rennen war eröffnet. Und Prince ließ Hits regnen: "Kiss", "When Doves Cry", "Alphabet St.", "Sign o’ the Times", "Purple Rain".
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Sein Ego bekamen alle zu spüren; die, die er bezahlte, und die, die ihn bezahlten. Seine Musiker behandelte er eher rustikal denn als Team. Bei Warner, seiner Plattenfirma, befassten sich in den Neunzigern mehr Anwälte als Musikmanager mit Prince. Der nicht nur pausenlos seine musikalische Ausrichtung änderte, sondern auch seinen Namen.
Ein unübersichtlicher Schatz
Zunächst namenlos und nur durch ein Symbol vertreten, dann von ratlosen Journalisten in The Artist und das Running-Gag-fähige "TAFKAP" umbenannt. Doch "The Artist formerly known as Prince" hatte schon wieder eine neue Idee und pinselte sich "Slave", Sklave, auf seine Wange, weil er rechtlich nicht mehr Herr über seine eigenen Musikaufnahmen war und sich von Warner versklavt fühlte – was in der Musikindustrie durchaus nicht ohne Widerhall blieb. Auch deshalb, weil Prince selbst beharrlich für das Urheberrecht zu Felde zog.
Der Schatz, den Urheber Prince hütete, war stattlich, man könnte auch sagen – unübersichtlich. Selbst die hartgesottensten Fans verloren den Überblick bei allen Songs, die aus ihm herausströmten und die er in seinen Paisley Park Studios in Minnesota auf die Beine stellte. Für sich und andere wie Sinead O’Connor ("Nothing Compares 2 U"), die Bangles ("Manic Monday"), Stevie Nicks, Madonna und Joe Cocker.
Nach 1999 – auch der Name seines ersten Welthits – wurde es merklich ruhiger um Prince. Auch wenn er immer wieder mal mit Alben und Songs in den Charts auftauchte – und 2015 sogar persönlich im Weißen Haus. Dort hatte er zwei Jahrzehnte zuvor wegen des Urheberrechts vorsprechen wollen. Nun machte er Musik – auf Einladung von Barack und Michelle Obama.
Und diesmal blieb das Hemd an.