Die von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angekündigte Neubewertung des Luftangriffs bei Kundus hat keine Auswirkungen auf das laufende juristische Verfahren. Das sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Dienstagausgabe). Er betonte: „Wir müssen unsere juristische Prüfung selbstständig vornehmen.“ Diese Prüfung dauere an und könne bis ins nächste Jahre dauern.
Die Bundesanwaltschaft werde den bis zur vorigen Woche unterschlagenen Feldjäger-Bericht, in dem von zivilen Opfern die Rede ist, sowie alle weiteren verfügbaren Unterlagen in ihre Bewertung einbeziehen, sagte der Sprecher weiter.
Die Behörde muss auf Bitten der Generalstaatsanwaltschaft Dresden klären, ob der Befehlshabende Oberst Georg Klein mit seinem Befehl gegen Völkerstrafrecht verstieß. In einem solchen Fall würde ein formelles Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden. Käme die Bundesanwaltschaft zu dem gegenteiligen Schluss, würde sie das Verfahren an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden zurückverweisen. Dort würde geprüft, ob ein Verstoß gegen deutsches Strafrecht vorliegt.
Bei dem von Klein angeordneten NATO-Luftangriff auf zwei von Taliban gekaperte Tanklastwagen am 4. September wurden nach Angaben von Anwälten 179 Menschen verletzt oder getötet. Die einzigen nicht-zivilen Opfer sollen fünf bewaffnete Taliban gewesen sein.
SPD zieht Kanzleramts-Dementi zur Kundus-Affäre in Zweifel
Die SPD bezweifelt Angaben der Bundsregierung, es habe im Kanzleramt vor der Bundestagswahl keine Einschätzung gegeben, der von der Bundeswehr angeordneten Luftangriffs im afghanischen Kundus sei militärisch nicht angemessen gewesen. Einen entsprechenden Zeitungsbericht zu der Bewertung der Bombardierung zweier von Taliban entführten Tanklaster Anfang September hatte die Bundesregierung am Montag dementiert. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte der „Berliner Zeitung“ (Dienstagausgabe), im Kanzleramt gebe es schließlich ein für die Bundeswehr zuständiges Referat. Deswegen wäre es ein „normaler, unaufgeregter Vorgang“, wenn diese Abteilung auch den Angriff in Kundus untersucht hätte, sagte Arnold.
Nach dem Rücktritt von Arbeitsminister Franz Josef Jung (CDU), der Anfang September Verteidigungsminister war, sei der neue Ressortchef Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) der Einzige in der deutschen Politik, der die Einschätzung vertrete, der Angriff Anfang September sei angemessen gewesen.
Guttenberg hatte sich Anfang November nach Lektüre eines geheim gehaltenen NATO-Untersuchungsberichts entsprechend geäußert. An dieser Fehleinschätzung ändere auch der Bericht deutscher Feldjäger von Anfang September nichts, der erst Ende vergangener Woche öffentlich wurde und Guttenberg zunächst nicht vorgelegen haben soll, sagte Arnold: „Damals wollte Guttenberg die Anerkennung der Soldaten.“ Heute stehe er vor einem Dilemma: “Ändert er seine Position, hat er in der Bundeswehr ein Problem. Ändert er sie nicht, hat er ein politisches Problem.“
ddp