Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg war über die Hintergründe des Bombardements bei Kundus offenbar umfassender informiert, als er bisher angegeben hat. Der befehlshabende Oberst Georg Klein hatte in einem Bericht selbst angegeben, dass er nicht nur zwei Tanklastzüge, sondern auch mehrere Dutzend Aufständische „vernichten“ wollte. Nach seiner Entlassung hat sich am Wochenende erstmals der frühere Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu Wort gemeldet. Seiner Einschätzung nach sei zu Guttenberg von Anfang an „umfassend“ über das schwere Bombardement ins Bild gesetzt worden, zumal sämtliche Erkenntnisse in dem Nato-Untersuchungsbericht verarbeitet worden seien. Allerdings seien ihm die Ergebnisse der deutschen Feldjäger nicht vorgelegt worden.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte in der ARD, der Befehl zum Töten sei unter Missachtung der Regeln der Nato-Truppe in Afghanistan erteilt worden. Zu Guttenberg habe über das Bombardement „wissentlich die Unwahrheit“ gesagt. „Man nennt das landläufig: Er hat gelogen“, sagte Trittin. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. „Das Kanzleramt hat stets großen Wert darauf gelegt, dass der Einsatz der Bundeswehr immer im Rahmen des vom Bundestag erteilten Mandates erfolgt“, erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Sonntag vor Journalisten. Zu Guttenberg sieht sich durch die neuen Vorwürfe in der Kundus-Affäre nicht in seinem Amt gefährdet.
Zu Rücktrittsforderungen sagte er in der „Bild am Sonntag“: „Wer glaubt, den 4. September an mir festmachen zu können, sollte sich daran erinnern, dass ich da noch gar nicht Verteidigungsminister war.“ Zu den Hintergründen des Luftangriffs hob er hervor: „Das alles ist Gegenstand des Untersuchungsausschusses und der juristischen Bewertungen der Bundesanwaltschaft.“ Mit dem Angriff von Kundus beschäftigt sich von Mittwoch an ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. Im Mittelpunkt dürfte dabei die Frage stehen, ob der Angriff gezielt der Tötung von Taliban-Kämpfern galt.