Nach dem Auftritt von Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) im Parlamentarischen Kontrollgremium sieht die Opposition in der NSA-Affäre weiter Aufklärungsbedarf auf höchster Ebene. „Wir haben noch nicht alles aufgeklärt, was aufzuklären ist“, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Thomas Oppermann (SPD), am späten Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Pofalla habe nicht sagen können, wie das amerikanische Überwachungsprogramm „Prism“ funktioniere und stütze sich allein auf die Angaben der US-Geheimdienste.
„Wir wollen jetzt auch wissen: Wie viele Deutsche kommen ins Visier der US-Dienste? Da muss die Kanzlerin auch noch mal mit (US-Präsident) Barack Obama sprechen. Da genügt es nicht, wenn die Geheimdienste miteinander Informationen austauschen“, forderte Oppermann.
Pofalla ist der Beauftragte der Bundesregierung für die Geheimdienste. Er hatte am Montag gesagt, es gebe in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung. Die Geheimdienste der USA und Großbritanniens hätten inzwischen auch schriftlich versichert, sich an Recht und Gesetz zu halten. Außerdem kündigte er an, dass Berlin und Washington ein bislang beispielloses Anti-Spionage-Abkommen abschließen wollen, das gegenseitiges Ausspionieren - etwa auch in der Wirtschaft - für die Zukunft ausschließe.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nahm den Kanzleramtsminister in Schutz. Pofalla habe „alle Fakten auf den Tisch gelegt“, sagte er der „Mittelbayerischen Zeitung“ (Dienstag). „Und Herr Oppermann ist Vorsitzender dieses Kontrollgremiums, weiß also auch zur Genüge, was läuft, und erzählt nun im Wahlkampf Dinge, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.“
Die Opposition blieb skeptisch. „Ein No-Spy-Abkommen macht nur Sinn, wenn die deutsch-amerikanischen Beziehungen eine neue Ausrichtung bekommen“, sagte die Linke-Vorsitzende Katja Kipping „Handelsblatt Online“. Die Formel von der bedingungslosen Solidarität basiere nicht auf Gegenseitigkeit und müsse „spätestens durch die neue Bundesregierung“ zurückgenommen werden.
Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf der Bundesregierung mangelnde Distanz zu den USA vor. „Frau Merkel distanziert sich nicht von den Amerikanern und nimmt kritiklos hin, wenn deutsche Rechte und Interessen verletzt werden“, sagte Steinbrück den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Die Kanzlerin müsse endlich erklären, „ob wir noch Herr im eigenen Haus sind“.
dpa