Überschattet von blutigen Unruhen wird heute in Syrien über eine neue Verfassung abgestimmt. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad hat die etwa 14,6 Millionen Wahlberechtigten aufgerufen, sich an dem Referendum zu beteiligen. Wichtigste Neuerung ist, dass die Monopolstellung der regierenden Baath-Partei aufgehoben wird.
Die Opposition lehnt den Entwurf jedoch ab und ruft zum Boykott auf. Die Macht des Präsidenten werde kaum eingeschränkt, kritisieren Aktivisten. Sie befürchten, dass künftig nur Regime-nahe Gruppen Parteien gründen dürfen.
Am Samstag konnten das Rote Kreuz und der Rote Halbmond keine weiteren verletzten Zivilisten aus dem Stadtteil Baba Amr von Homs in Sicherheit bringen. Hisham Hassan vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) sagte, Verhandlungen mit den Behörden und der Opposition hätten „keine konkreten Ergebnisse“ gebracht. Das IKRK setzt sich für eine täglich zweistündige Kampfpause ein, um die Menschen in den Krisenregionen besser versorgen zu können.
Am Freitag brachte das Rote Kreuz erste Verletzte aus den Krisengebieten. Die vor wenigen Tagen in Homs verletzten Journalisten waren nicht unter ihnen. Die französische Reporterin Edith Bouvier und der britische Fotograf Paul Conroy hatten am Mittwoch bei einem Artillerieangriff Verletzungen am Bein erlitten. Bei der Attacke waren die US-amerikanische Journalistin Marie Colvin und der französische Fotograf Rémi Ochlik getötet worden.
Syrien-Kontaktgruppe weiterhin gegen Militärintervention
Landesweit kamen am Samstag nach Oppositionsangaben, die der US-Nachrichtensender CNN zitiert, etwa 100 Menschen ums Leben. In der seit Wochen umkämpften Protesthochburg Homs dauerten die Gefechte weiter an. Der syrische Aktivist Omar Homsi sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass Dutzende Geschosse auf das Viertel Al-Chalidija gefeuert worden seien.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) warnte vor Debatten über eine militärische Intervention. Dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ (Sonntag) sagte Westerwelle einen Tag nach dem ersten Treffen der Syrien-Kontaktgruppe laut einem Vorabbericht: „Wir müssen alles vermeiden, was Syrien einem Stellvertreterkrieg näher bringen könnte.“ Er fügte hinzu: „Das könnte in der Region einen Flächenbrand auslösen und am Ende eine Konfrontation heraufbeschwören, die bis nach Moskau oder Peking reicht.“
Am Freitag hatte sich die neue Kontaktgruppe der Freunde Syriens erstmals in Tunesien getroffen, um über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Die mehr als 60 Staaten und Organisationen drohten mit weiteren Sanktionen, falls das Regime die Gewalt gegen das eigene Volk nicht sofort beende. Von einer Militärintervention in Syrien wollten die Teilnehmer jedoch nichts wissen. Sie hatten sich zusammengeschlossen, nachdem die Vetomächte Russland und China im UN-Sicherheitsrat mehrfach Zwangsmaßnahmen gegen Syrien verhindert hatten.
dpa