Einigung bei Deutscher Messe: Mehr als 200 Stellen werden gestrichen

Die Insolvenz der Deutschen Messe AG ist abgewendet. Der Vorstand und die Arbeitnehmervertreter haben sich am Mittwoch auf ein Sparkonzept verständigt – damit sind die Voraussetzungen für einen Notkredit in Höhe von 122 Millionen Euro erfüllt, für den das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover als Anteilseigner bürgen wollen. Bis zum Jahr 2027 soll die Zahl der Arbeitsplätze von heute 738 auf 525 sinken; für die verbleibenden Mitarbeiter gilt eine Beschäftigungsgarantie bis 2030. Dies geht aus dem Verhandlungsergebnis hervor, das der HAZ vorliegt. Stadt und Land zufrieden: „Es ist gelungen, die Deutsche Messe AG auf ein neues Fundament zu stellen“, sagte Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne), der den Aufsichtsrat des Unternehmens leitet. „Mit dem ausgehandelten Kompromiss steht das Unternehmen in den Startlöchern für die Zeit nach der Corona-Pandemie.“ Auch die Landesregierung zeigte sich mit der Vereinbarung zufrieden. „Es sind schmerzliche Einschnitte notwendig, um die Messe wieder wettbewerbsfähig zu machen“, sagte Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). Die Anteilseigner übernähmen jeweils Bürgschaften von bis zu 65 Millionen Euro und seien zudem bereit, bei der Messe noch jeweils 10 Millionen Euro zur Stärkung des Eigenkapitals einzubringen. Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) präsentierte am Mittwochmorgen im Landtag die Unterschriften unter dem achtseitigen Papier. Die Veränderungen seien notwendig gewesen, sagte Althusmann. „Wir stellen die Messe jetzt zukunftsfähig auf.“ Nach Angaben des Ministers haben die Verhandlungen bis weit in die Nacht hinein gedauert. Messe rechnet erst für 2023 mit einer Erholung: Weil das Geschäft darniederliegt, steuert die Messe auf hohe Verluste zu. Für 2020 wird bei einem Umsatz von 95 Millionen Euro ein Minus von 103 Millionen Euro erwartet. Auch für die nächsten beiden Jahre rechnet man mit tiefroten Zahlen. Frühestens von 2023 an wird sich nach Einschätzung des Unternehmens die Branche langsam erholen. Bis dahin fielen alle Messen voraussichtlich deutlich kleiner aus als geplant, hieß es. Für 2021 hatte der Vorstand ursprünglich einen Umsatz von 335 Millionen Euro angepeilt – nun wird bestenfalls mit einem Drittel dieser Summe kalkuliert. Um weiter zahlungsfähig zu bleiben, benötigt die Messe einen Kredit. Dafür haben die Banken neben einer Bürgschaft der Anteilseigner deutliche Kostensenkungen zur Bedingung gemacht. Die Messegesellschaft müsse künftig in der Lage sein, die gewährten Kredite aus eigener Kraft bedienen zu können, hieß es. Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Vorstand ein „Zukunftskonzept“ mit Einsparungen von kumuliert 172 Millionen Euro vorgelegt – vor allem die Personalkosten sollen verringert werden. Die IG Metall und der Betriebsrat haben dies zunächst abgelehnt. Jetzt konnten sich beide Parteien auf einen Kompromiss verständigen. Auch Kündigungen sollen möglich sein: Neben Kurzarbeit, einer Verringerung der Wochenarbeitszeit, einer Reduzierung von tariflichen und übertariflichen Leistungen sowie Einschnitten bei den Führungskräften ist auch die Ausgliederung von Tätigkeiten vorgesehen, die nicht mehr zum Kerngeschäft der Messe zählen sollen – etwa die Gastronomie, die Gärtnerei oder der Sprachendienst. Für Mitarbeiter aus diesem Bereichen soll es Umschulungsangebote für neue Aufgaben bei der Messe geben, andere Beschäftigte sollen zu Dienstleistern wechseln. Als „Ultima Ratio“ sind aber auch Kündigungen möglich, falls ein Lenkungsausschuss mit Vertretern aus dem Management und dem Betriebsrat dem zustimmt. Das Ziel sei, den geplanten Stellenabbau möglichst durch Aufhebungsverträge zum freiwilligen Ausscheiden und durch Altersteilzeit zu erreichen, hieß es. Auch die Arbeitnehmervertreter akzeptieren jetzt das Sparpaket. „Es ist ein guter Kompromiss“, sagte Dirk Schulze, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Hannover. „Aber wir können auch nicht jubeln, da Personal abgebaut wird.“ Er halte die Stellenstreichungen weiter für falsch, sagte Betriebsratschef Karsten Scheibe. Es stehe nun aber ein Ergebnis fest, „das für alle Seiten Einschnitte bedeutet“. Lesen Sie auch: Hannover Messe: Industrieschau soll im April 2021 stattfinden Von Jens Heitmann und Marco Seng