Harte Kritik an Niedersachsens Regeln – Schulen in Salzgitter gehen komplett ins Wechselmodell

In Niedersachsen wächst die Kritik an den Corona-Verordnungen der Landesregierung – kurz bevor sie am Dienstag noch einmal verschärft werden sollen. Der Vizepräsident des Niedersächsischen Städtetages und Oberbürgermeister von Salzgitter, Frank Klingebiel (CDU), kündigte am Sonntag gegenüber der HAZ an, beim sogenannten Wechselmodell einen Sonderweg abseits der Leitlinien des Landes zu gehen. Er forderte angesichts der immer noch hohen Infektionsgefahr die flächendeckende Einführung des Wechselbetriebes an niedersächsischen Schulen. „Das sind doch Durchhalteparolen“: „Ich halte die stereotypen Aussagen unseres Kultusministers Grant Hendrik Tonne (SPD) über angeblich pandemiefeste Schulen für Durchhalteparolen, die mehr vom Wunsch als von der Realität geleitet werden“, sagte Klingebiel der HAZ. „Bei allen anderen Maßnahmen legt man eine andere Messlatte an als an den Schulen.“ Man nehme morgens voll besetzte Schulbusse in Kauf oder auch volle Klassen, während die Betriebsverbote für Kultur und Gastronomie fortgeschrieben werden und im privaten Bereich sowie für große Einzelhandelsbetriebe ab Dienstag noch schärfere Bestimmungen gelten. „Strikte Kontaktbeschränkungen halte ich für richtig, aber nicht in dieser undifferenzierten Weise, wo man einen entscheidenden Bereich völlig ausspart, nämlich die Schulen.“ Wechselmodell in Salzgitter bis zu den Weihnachtsferien: Klingebiel sagte, es wäre für alle überzeugender und auch nachvollziehbarer, wenn erst einmal bis zum 18. Dezember, dem letzten Schultag vor dem vorgezogenen Beginn der Weihnachtsferien, generell die Schulen in den Wechselbetrieb gingen. In seiner Stadt Salzgitter habe er jetzt den Wechselbetrieb bis zum 18. Dezember abgeordnet. Der Sieben-Tages-Inzidenzwert habe dort am Freitag noch bei 171,64 gelegen, am Sonntag stand er nach Daten des Landes bei 109,3. Angesichts einer noch immer diffusen Infektionslage sollte dieser Wechselbetrieb überall gelten. Für Kinos, Theater und Gastronomiebetriebe sollten indes Ausnahmen ermöglicht werden, sofern diese über nachprüfbare und detaillierte Hygienekonzepte verfügten. „Das könnte zur Not auch der TÜV überprüfen, weil die Gesundheitsämter überlastet sind.“ Klingebiel warf den Kultusministern vor, „nur den Konflikt mit den Eltern zu scheuen und deshalb auf dem Präsenzbetrieb für alle“ zu beharren. Lehrer in Hannover: „Wir fühlen uns als Freiwild“: Auch an Schulen in der Region Hannover werden immer mehr Zweifel laut, ob das Festhalten am Präsenzunterricht noch das Gebot der Stunde ist. Schülern sei kein Vorwurf zumachen, wenn sie sich trotz Maskenpflicht und Abstandsgebot auch mal austoben müssten, heißt es. Lehrer seien dabei einem hohen Risiko ausgesetzt, was aber kaum Beachtung finde. „Wir Lehrer fühlen uns als Freiwild“ sagt ein Pädagoge. Ein Gesamtschullehrer aus der Region Hannover klagt anonym: „Der Politik ist egal, wie die Lage ist.Hauptsache, die Schule bleibt offen.“ Wirksamen Infektionsschutz gebe es unterdessen in Schulen nicht. „Da steht Desinfektionsspray herum, das war es“, klagt der Gesamtschullehrer. Fünf-Personenregel völlig willkürlich: Unterdessen will die FDP mit einem Antrag, der in der Landtags-Sondersitzung am heutigen Montag behandelt werden soll, die geplante Kontaktbeschränkung auf insgesamt fünf Personen verhindern. „Die Beschränkung auf fünf Personen ist willkürlich und lebensfremd“, sagte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner am Sonntag der HAZ. Er fragt, warum man ausgerechnet auf die Zahl Fünf als Obergrenze für private Treffen gekommen sei. „Schlüssel für die Pandemiebekämpfung müssen doch die Eigenverantwortung und die Nachvollziehbarkeit der Regeln sein und nicht eine willkürlich gegriffene Zahl.“ Auch die neuen geplanten Einschränkungen von Einzelhandelsgeschäften ab 800 Quadratmeter erschienen willkürlich, zumal überall die Maskenpflicht gelte, sagte Birkner und fügt an: „Es muss auch endlich eine Perspektive für die Zeit nach Weihnachten und Sylvester entwickelt werden.“, Lesen Sie auch: Schulen und Corona:Schüler und Lehrer in Hannover fühlen sich wie "Freiwild" Von Michael B. Berger