Wie funktionieren Digitalmessen? Interview mit Prof. Gernot Gehrke von der Hochschule Hannover

Herr Prof. Gehrke, die Hannover Messe wurde komplett ins Internet verlegt. Wird die virtuelle Veranstaltung die Messen alten Typs ersetzen? Nein, natürlich nicht. Messen sind Kommunikations- und Geschäftsveranstaltungen. Sie leben davon, dass Besucherinnen und Besucher anderen ins Gesicht schauen, Produkte real sehen und mit Menschen vertrauensvoll in Kontakt kommen können. Eine virtuelle Plattform kann das nach bisherigem Stand nie ganz ersetzen. Aber wenn in einer Krise wie jetzt die Alternative wäre, die Messe ausfallen zu lassen, dann ist die Digitalvariante das „Second Best“: zwar nur die zweitbeste Lösung, aber besser als nichts. „Livestreams nur einen Klick voneinander entfernt“: Hat das Digitale vielleicht sogar auch Vorteile? In einigen Aspekten unbedingt. Zum Beispiel die kurzen Wege. Wenn Sie mal bei einer Großveranstaltung auf Hannovers Messegelände von einem Ende komplett zum anderen gewandert sind, dann wissen Sie, wie viel Zeit das verschlingt. Im Internet sind die Livestreams bestenfalls nur einen Klick voneinander entfernt. Sie sparen also effektiv Zeit. Wobei das auch Nachteile bergen kann. Welche? Auf dem realen Weg übers Messegelände hätten Sie vielleicht zwischen Start und Ziel zufällig etwas entdeckt, was Sie fasziniert hätte. Das kann ein wichtiges Element eines Messebesuchs sein: sich treiben zu lassen, nach rechts und links zu schauen. Nach allem, was wir bisher wissen, gelingt das auf Digitalmessen eher weniger. „Schwächen ja schon lange vorher spürbar“: Nun spart so eine Digitalmesse den Ausstellern ja erheblich Geld, weil keine Stände gebaut werden müssen und Personal nicht reisen muss. Wie werden sich Messen verändern? Das Messegeschäft bleibt nie stehen. Es entwickelt sich immer weiter, jetzt beschleunigt durch Corona. Aber Schwächen waren ja schon lange vorher spürbar. Die Messen müssen sich auf ihre echte Kompetenz besinnen. Eigentlich geht es nicht darum, Quadratmeter zu vermieten, sondern eine Vertrauensbasis für Geschäftskontakte und gemeinsames wirtschaftliches Handeln entstehen zu lassen. Das gilt für Präsenzmessen ebenso wie für Hybrid- oder Netzmessen. Lesen Sie auch: So präsentieren sich Firmen auf der digitalen Hannover Messe Interview mit Messechef Jochen Köckler zur digitalen Hannover Messe Deshalb hat das Land Präsenzveranstaltungen auf der Hannover Messe eine Absage erteilt Eröffnung der Hannover Messe: Industrie plant bereits für die Zeit nach der Pandemie Was müssen die Messegesellschaften lernen? Vor allem bei Digitalmessen muss es auch Möglichkeiten zur Entspannung, zur Kommunikation geben. Niemand kann den ganzen Tag pausenlos von einem Input zum nächsten springen. Auf Präsenzmessen sind dafür die schon angesprochenen Wege gut, aber auch der entspannte Kaffee oder das Gespräch zwischendurch. So banal es klingen mag: Aber dafür muss es im Digitalen auch Angebote geben, wenn die virtuelle Messe eine Alternative sein soll. Von Conrad von Meding