Naturschutz: So geht Wiersen den „Niedersächsischen Weg“

„In Wiersen gehen wir ihn schon“, sagt Heinrich Thies über den „Niedersächsischen Weg“. Thies, der den Wiersenern auch als deren Ortsvorsteher und den Auetalern als deren Ratsvorsitzender bekannt ist, ist einer von vier Pächtern, die die Wiersener Jagd unter sich aufgeteilt haben. Er sagt: „Ich würde mich freuen, wenn das Beispiel aus Wiersen, Brachen im Schulterschluss mit den Landwirten in Blumenwiesen und Blühstreifen zu verwandeln, im ganzen Auetal Schule machen würde.“ Land gebe es genug dafür. Die Gemeinde Auetal habe allein in Wiersen etwa zehn Hektar nicht verpachtete Flächen. „Stellen Sie sich mal vor, da würden Blumenwiesen draus gemacht – das wäre der Wahnsinn“, schwärmt Thies. Leider jedoch habe die Gemeinde dafür nicht genug Personal. Doch immerhin: Zumindest die Wegesränder würden inzwischen nicht mehr gemäht; der Unimog bleibe stattdessen im Bauhof. Nur gemeinsam mit der Landwirtschaft: „Ich habe mich sehr gefreut, dass das Bündnis ,Niedersächsischer Weg’ in Gang gekommen ist. Für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz kann man nur gemeinsam mit der Landwirtschaft etwas bewegen – die Landwirte als Herren über ihre Ländereien zu etwas zu zwingen, was sie nicht wollen, führt nicht zum Ziel“, erklärt Thies im Gespräch mit der Redaktion. Der Wiersener: „Umso mehr ärgere ich mich darüber, dass der Naturschutzbund (Nabu) diesen Konsens aufgekündigt hat, und über dessen jüngste Unterschriftenaktion für ein Volksbegehren.“ Dabei könne der „Niedersächsische Weg“ im Kleinen auch „Wiersener Weg“ heißen, denn in dem 80 Einwohner zählenden Auetaler Ortsteil funktioniere der Schulterschluss mit der Landwirtschaft bestens. Seine Überzeugung: „Wenn man mit den Leuten spricht und gute Gründe vorbringt, dann ist auf freiwilliger Basis vieles möglich.“ Als Beleg dafür nennt Thies eine Vielzahl von Beispielen, die allesamt im Frühjahr 2020 ihren Anfang genommen haben. „Ich habe eine 2000 Quadratmeter große Fläche von der Gemeinde. Die Gemeinde hat sie 2019 als Ausgleichsfläche gekauft“, sagt der Jagdpächter, der sie nicht einfach brachliegen lassen wollte: „Deswegen habe ich die Fläche gefräst, gemäht und auf eigene Kosten eine Blüh- und Blumenwiese darauf angelegt.“ Ein erster ähnlicher Versuch, den er bereits 2019 am Wiersener Hundeplatz unternommen hatte, war angesichts der verheerenden Trockenheit leider gescheitert. Darüber hinaus hat Thies selbst nochmals ein 5000 Quadratmeter großes Stück Land aus der Verpachtung herausgenommen, das er ebenfalls als Blühfläche herrichten will. Das Land bleibt zum Herbst zunächst als Stoppelbrache liegen; dort wächst frischer Raps als Nahrung für Fasane und Rebhühner. Waldbesitzer fühlen sich bei Artenschutzplan von Ministerium übergangen Umweltminister Olaf Lies diskutiert in Sachsenhagen mit Landwirten und Naturschützern Niedersächsischer Weg löst zwiespältige Gefühle bei Schaumburger Landwirten aus Ähnlich hat auch die Gruppe Schaumburg im Boxer-Klub, der seinen Hauptsitz in München hat, gehandelt: Der Verein habe ihm erklärt, dass er eine Trainingsfläche in Wiersen nicht mehr benötige, so Thies – und so folgte der Klub gerne dem Vorschlag des Jagdpächters, ebenfalls ein kleines Insektenparadies daraus zu machen. Dritter im Wiersener Blüh- und Blumen-Bunde ist laut Thies ein Landwirt aus Vornhagen, der von ihm Land gepachtet und auf 2,3 Hektar eine Blühwiese angelegt hat. Darüber hinaus ist der Jagdpächter mit zwei weiteren Bauern im Gespräch, die er gleichfalls mit ins Boot holen möchte: „Der eine von ihnen wird am Wald entlang auf 1500 Quadratmetern eine Blühfläche anlegen, der andere eine gleich große Fläche mitten in der Feldmark.“ Distanz zum Bach: Weil dort ein Bach verlaufe, zu dem die Landwirtschaft Distanz wahren müsse, sei das Vorhaben zwar nicht ganz uneigennützig – „aber der Landwirt könnte die Fläche ja auch brach lassen“, meint Thies. Der Landkreis Schaumburg und die Kreisjägerschaft um Thorsten Schwöbel, Obmann für Naturschutz, haben einen Teil des Saatgutes für die Blumen- und Blühwiesen gestellt und geben den Landwirten einen gestaffelten Zuschuss von zusammen zwischen 200 und 700 Euro pro Hektar, wenn diese ihre Ländereien für die Einsaat zur Verfügung stellen und so etwas Gutes für die Natur tun. „Das“, meint der Wiersener, „ist eine ganze Menge Geld.“ 300 Euro für ein kleines Paradies: Zumal: Habe ein Bauer einen nicht so guten Boden, räume er mit dem Anbau von Weizen auch nicht mehr als 700 Euro Reinertrag ab, so Thies. Was das Saatgut betrifft, so kostet ein Zehn-Kilo-Sack „Blumenweide Hessen“ etwa 300 Euro; er reicht, um einen Hektar Brachland in ein kleines Paradies aus Ölrettich, Phacelia und der Knöterichart Buchweizen zu verwandeln. Summa summarum sei das alles nichts anderes als der besagte „Niedersächsische Weg“, Ausführung Wiersen. Das Land, da ist Thies überzeugt, werde das Geld, mit dem es die Landwirte jetzt auf diesen Weg locke, später auch zur Verfügung haben, „der Nabu dagegen nicht“. Auch Bauern in Apelern überzeugt: Ein befreundeter Jagdpächter aus Apelern verfährt übrigens ganz genauso, sagt der Wiersener: „Er hat bei den dortigen (Groß-)Bauern ebenfalls viel Werbung für Blüh- und Blumenwiesen gemacht – mit dem Ergebnis, dass auch er auf seiner Jagd jede Menge Blühstreifen angelegt bekommt.“ Von Thomas Wünsche