Bückeburg: Transporthubschraubers NH90 bleibt das Sorgenkind der Heeresflieger

Einmal mehr haben es die Heeresflieger in den Jahresbericht der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages geschafft. In diesem Jahr rücken aber – erneut – die Probleme rund um die Einsatzfähigkeit des Mittleren Transporthubschraubers NH90 in den Mittelpunkt. Keinerlei Erwähnung findet dagegen die noch in den vergangenen Jahren bemängelte Ausbildungssituation am Internationalen Hubschrauberausbildungszentrum, die der alte Wehrbeauftragte mit der Forderung umrissen hatte: „Es braucht mehr Flugstunden, das heißt mehr Fluglehrer und mehr einsatzbereite Hubschrauber.“ Mehr Flugstunden und mehr Fluglehrer – das scheint umgesetzt: Sie werden im aktuellen Bericht nicht mehr aufgeführt. Anders dagegen der Punkt Einsatzbereitschaft. NH90 sind weiter das Problem: Denn die neue Wehrbeauftragte Eva Högl stellt in ihrem am Dienstag vorgelegten Bericht fest: „Im Bereich der Heereshubschrauber ist ebenfalls keine wesentliche Erhöhung der Einsatzbereitschaft feststellbar, weder beim Kampfhubschrauber Tiger noch beim Transporthubschrauber NH90.“ Im Bericht des Verteidigungsministeriums aus dem ersten Quartal 2020 zur materiellen Einsatzbereitschaft des NH90 sei lediglich von „ersten kleinen Fortschritten aufgrund der Unterstützung mit weiteren zivilen Wartungskapazitäten die Rede gewesen“. Lesen Sie auch: NH90-Simulatoren: Millionen-Investition auf dem Hubschrauberausbildungszentrum Im Folgebericht von Dezember 2020 sei einerseits eine „tendenzielle Verbesserung“ der Einsatzbereitschaft erwähnt worden. Andererseits sei aber auf vermehrte Einschränkungen bei ebendieser Einsatzbereitschaft aufgrund zeitintensiver Störungsbehebungen sowie Lieferverzögerungen seitens der Industrie hingewiesen worden. Die neue Wehrbeauftragte wörtlich: „Dies ist erstaunlich, da der NH90 schon mehrere Jahre zur Auslieferung kommt.“ Dennoch gelte er immer noch als „System in der Einführungs- und Wachstumsphase“. Und weiter: „In dieser Phase scheint es bei Großgeräten nicht selten vorzukommen, dass der vorhandene Bestand über Jahre gar nicht oder nur zu einem verschwindend kleinen Teil tatsächlich vor Ort einsetzbar ist.“ Eine Aussage, von der das Internationale Hubschrauberausbildungszentrum ein Lied singen kann. 14 NH90 sind in Achum stationiert. Prozesskette wurde gestoppt: Hinzu komme, dass die unzureichende Ersatzteilbevorratung durch die Industrie und im logistischen System der Bundeswehr unverändert die zügige und zeitgerechte Wartung und Instandsetzung bei nahezu jedem Waffensystem des Heeres erschwere, so Högl weiter. Um an anderer Stelle des Berichtes darauf zu verweisen, dass die Einsatzbereitschaft relevanten Großgerätes, also auch des NH90, bei gerade einmal 75 Prozent liegt. Neubeschaffungen, Kampfwertsteigerungen und Inbetriebnahme von vorhandenem Material gestalteten sich schwierig und zeitaufwendig. An lange Planungsphasen schlössen sich allzu oft langwierige Vergabeverfahren an, und das ausgewählte Material sei häufig nicht verfügbar. Aufseiten der beauftragten Industrie entstünden Lieferverzögerungen, Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten gerieten ins Stocken. Eigene Kapazitäten der Bundeswehr seien hier nur noch rudimentär vorhanden, Ersatzteile und Spezialwerkzeuge nicht selten Mangelware. Explizit erwähnt in diesem Zusammenhang: der NH90 – und der Kampfhubschrauber Tiger. Mehr zum Thema: Hubschrauberausbildungszentrum Bückeburg: Fluglehrer und NH-90 fehlen Wie die Wehrbeauftragte ausführt, habe die Konzentration auf den mittlerweile beendeten Einsatz des Tiger in Mali dazu geführt, dass alle Ressourcen auf diesen Auslandseinsatz konzentriert worden seien. Die Folge: Die Prozesskette des Inlandsbetriebes wurde so gestoppt, dass sie sich bis 2020 als wesentlicher Störfaktor auf die materielle Einsatzbereitschaft auswirkte. Zu Hauptinspektionen anstehende Luftfahrzeuge könnten aufgrund fehlender Dockkapazitäten nicht bearbeitet werden, die Einsatzbereitschaft des Tigers „ist wesentlich beeinträchtigt“. Den Abbau des Inspektionsstaus erwartet die Bundeswehr erst 2022. Die Wehrbeauftragte: „Dringend geboten ist eine Entscheidung zur Zukunft des Tigers.“ Einsatzpause für CH-53: Auch der einst zur Truppengattung Heeresflieger gehörende Transporthubschrauber CH-53, der jahrelang auch über Bückeburg flog und inzwischen zur Luftwaffe transformiert wurde, findet Erwähnung im Jahresbericht. Nach 16 Jahren Dauereinsatz in Afghanistan sei die für 2021 angekündigte Einsatzpause „dringend nötig“, um eine gewisse Konsolidierung zu erreichen“. Wichtige Austauschteile fehlten, seien nur unter „größten Anstrengungen“ zu beschaffen. Die Einsatzbereitschaft ist nach Aussage der Wehrbeauftragten die niedrigste aller fliegenden Waffensysteme der Luftwaffe, Flugstunden seien deshalb Mangelware, außerplanmäßige Landungen aus Sicherheitsgründen würden sich häufen – 24 innerhalb eines Jahres. Högl: „Das ist nicht akzeptabel, die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten muss gewährleistet sein.“ Und vieles deutet nach Vermutungen der Wehrbeauftragten darauf hin, dass die CH-53 noch länger in Betrieb bleiben muss. Denn das Verteidigungsministerium hat im September 2020 aus Kostengründen das Vergabeverfahren für das Rüstungsprojekt eines Schweren Transporthubschraubers als Nachfolger der CH-53 gestoppt. „Wegen der zentralen Bedeutung nicht hinnehmbar“, kritisiert Högl diesen Stopp. Beim Internationalen Hubschrauberforum in Bückeburg ist bereits mehrfach über ein mögliches Nachfolgemodell diskutiert, und mögliche Modelle US-amerikanischer Hersteller sind vorgestellt worden. Einmal wird Bückeburg doch namentlich im Jahresbericht erwähnt, im Bereich der Eignungsfeststellung für den Fliegerischen Dienst. Sie ist jetzt von Bückeburg und Fürstenfeldbruck nach Köln an den Standort „Assessment“ für Führungskräfte verlegt worden. Dies erhöhe die Prüfkapazität und optimiere Ablauforganisationen. Ein Lob der Wehrbeauftragten im Bereich Nachwuchswerbung: „Die Beispiele zeigen, dass die Bundeswehr Anstrengungen unternimmt, um die Reihen zu schließen.“ von Raimund Cremers