Impfstoffmangel in Schaumburg: Nur noch Bewohner und keine Pfleger werden geimpft

„Das ist eine riesengroße Unverschämtheit. Da hecheln sich die Pflegekräfte die ganze Zeit ab und leisten Übermenschliches – und dann so was“, schimpft Christian Döring, der Geschäftsführer der Trägergesellschaft Seniorenwerk ist, der das Altenheim Herminenhof in Bückeburg gehört. Er werde die Entscheidung, nur noch die Bewohner der Einrichtung und nicht mehr die Pfleger zu impfen, von Landrat Jörg Farr nicht akzeptieren. „Woher nimmt der Mann seine Kompetenz, so eine Entscheidung zu treffen?“, fragt Döring. Wer soll sich um Senioren kümmern? Am kommenden Donnerstag sollen die 115 Bewohner des Altenheims Herminenhof geimpft werden – eigentlich wären dann auch die rund 50 Mitarbeiter des Heimes an der Reihe gewesen. Doch nun ist der Impfstoff offenbar so knapp, dass nur noch Senioren geimpft werden können. Das teilte der DRK-Kreisverband Schaumburg Geschäftsführer Döring per E-Mail mit. Döring kann die Entscheidung des Landkreises nicht verstehen. Wenn nur die Bewohner vor dem Virus geschützt seien, könnten sich die Pflegekräfte trotzdem anstecken. „Wer soll sich dann um die Senioren kümmern und sie pflegen?“, fragt Döring mit Unverständnis. Das DRK habe zudem die doppelte Arbeit. Die mobilen Impfteams müssten dann ein zweites Mal zu einem späteren Zeitpunkt anrücken. „Ich erwarte, dass das gesamte Heim geimpft wird.“ Alles andere wäre den Mitarbeitern, die Unglaubliches leisten würden, despektierlich gegenüber, sagt er. Lesen Sie auch: Terminvergabe für Impfzentrum in Schaumburg noch nicht möglich Landkreis zeigt Verständnis: Seit Monaten würden seine Pflegekräfte unter erschwerten Bedingungen arbeiten und sich dafür mit Schutzkleidung, Einmalhandschuhen, Spezialbrillen und FFP2-Masken ausrüsten. Das Risiko, sich mit Sars-CoV2 anzustecken, sei trotzdem hoch. „Und nun werden die Pflegekräfte einfach vom Landrat im Regen stehen gelassen. Das ist ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen“, sagt Döring. Farr würde sich klar über die von den zuständigen Bundesbehörden und von der Bundesregierung beschlossenen Impfreihenfolge hinwegsetzen, kritisiert Döring. Die Impfprioritätenliste würde besagen, dass Personen, die in stationären Einrichtungen zur Behandlung, Betreuung oder Pflege älterer oder pflegebedürftiger Menschen tätig seien, zur Gruppe 1 mit der höchsten Priorität für die Schutzimpfung gehörten. „Sich darüber hinwegzusetzen, ist eine Frechheit sondergleichen“, meint der Geschäftsführer. So etwas habe er noch nirgendwo erlebt, sagt Döring, dessen Heimträgergesellschaft auch andere Heime in Niedersachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz betreibt. Zu allem Überfluss habe der Landrat zunächst auf seine E-Mail nicht reagiert und sei auch telefonisch nicht erreichbar gewesen. Lesen Sie auch: Warum diese Impf-Panne mit Ansage, Frau Reimann? Andrea Stüdemann, Dezernentin für den Bereich des Katastrophenschutzes, zeigt auf Nachfrage dieser Zeitung Verständnis für die Frustration der Mitarbeiter. „Diese Entscheidung fällt uns nicht leicht und müsste nicht getroffen werden, wenn genug Impfstoff zur Verfügung stehen würde“, sagt Stüdemann. Der Landkreis Schaumburg habe im Vergleich zu anderen Landkreisen eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Bewohnern in Pflegeeinrichtungen – fast 3500 Pflegeplätze gebe es kreisweit. Bislang habe der Kreis vom Land Niedersachsen aber lediglich zwei Impfstofflieferungen zugewiesen bekommen. Zudem hätten sich die Lieferungen verzögert. Geduld ist gefragt: Da auch die weiteren Impfstofflieferungen mit Unsicherheiten behaftet seien, habe das Land Niedersachsen die Vorgabe gemacht, dass mit den jetzt eintreffenden Impfstofflieferungen zunächst Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen zu impfen seien. Am Freitagvormittag trafen 1000 Impfstoffdosen im Landkreis ein. „In etwa so viele Bewohner von Pflegeheimen haben kreisweit ihre Impfbereitschaft angemeldet, dennoch konnten sie bisher nicht geimpft werden“, sagt Stüdemann. Man habe sich daher – im Austausch mit Dr. Ingolf Kunze, dem ärztlichen Leiter des Impfzentrums, und dem Gesundheitsamt – entschieden, den am Freitag eingetroffenen Impfstoff an Bewohner von Pflegeheimen zu verimpfen. Der Erste Kreisrat Klaus Heimann bittet die Pflegekräfte um Geduld. Für den 10. Februar sei eine weitere Lieferung angekündigt worden, erklärt Heimann im Gespräch mit dieser Zeitung. „Auch diese Charge umfasst wiederum Impfdosen von gut 1000 Stück.“ Dann, kündigt Heimann an, würden auch die Pflegekräfte der Heime geimpft werden. „Wir verwalten derzeit den Mangel und versuchen, das Beste rauszuholen“, sagt der Erste Kreisrat mit Blick auf den knappen Impfstoff. Lesen Sie auch: Niedersachsen hat im Januar 40 Prozent weniger Impfstoff bekommen als geplant von Leonhard Behmann