Auf Bewährung: So werden verurteilte Straftäter in Schaumburg betreut

Beim AJSD arbeiten sechs Justizsozialarbeiter, im Volksmund auch Bewährungshelfer genannt. Sie werden einem verurteilten Straftäter zur Aufsicht und Hilfestellung zur Seite gestellt, wenn die Vollstreckung der Jugend- oder Freiheitsstrafe oder eines Strafrestes zur Bewährung ausgesetzt wird. Auflagen überwachen - und Lebenshilfe leisten: Zu ihren Aufgaben gehört die Überwachung der im Urteil ausgesprochenen Auflagen und Weisungen, beispielsweise die Teilnahme an einer Suchttherapie oder die Erfüllung gemeinnütziger Arbeit, erklärt Tanja Mundt, Bezirksleiterin des AJSD Bückeburg. Verstöße gegen solche Auflagen teilen die Bewährungshelfer dem Gericht mit. Nur ein Bruchteil der Verurteilten bekommt einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt. Tanja Mundt , Bezirksleiterin beim Ambulanten Justizsozialdienst Bückeburg Neben dieser Kontrollfunktion umfasst die Bewährungshilfe auch die individuelle Lebensberatung – beispielsweise bei familiären Problemen – sowie die Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche, bei der Überwindung von Sucht und Verschuldung sowie im Umgang mit Behörden. 14 bis 85 Jahre alt: So viele Menschen werden in Schaumburg betreut: Das Gericht kann eine Bewährungsstrafe für zwei bis fünf Jahre verhängen. „Doch nur ein Bruchteil der Verurteilten bekommt einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt“, so Mundt. Die Gründe hierfür seien vielfältig und immer in den Lebensumständen begründet. Im vergangenen Jahr waren in Bückeburg 260 Klienten der Bewährungshilfe oder der Führungsaufsicht unterstellt – niedersachsenweit waren es 14.700. „Die Altersspanne unserer Klienten reicht von 14 bis 85 Jahren.“ Circa 12 Prozent der Klienten fallen unter die Jugendbewährungshilfe. Nach Jugendstrafrecht Verurteilte werden laut Mundt grundsätzlich einem Bewährungshelfer unterstellt, da der Erziehungs- und nicht der Sanktionsgedanke im Jugendstrafrecht im Vordergrund steht. Darum geht die Zahl der Klienten pro Mitarbeiter runter: Im Durchschnitt 70 Klienten betreut jeder Bewährungshelfer in Bückeburg. „Die sogenannte Arbeitsbelastungsziffer ist gesunken“, erklärt die Bezirksleiterin mit Blick auf sinkende Straftaten. Vor knapp zehn Jahren habe sie noch bei 90 gelegen. „Vor allem bei Jugendstraftätern gibt es einen deutlichen Rückgang.“ Mehr zum Thema: Erneuter Rückgang: Zahl der Straftaten in Schaumburg auf Zehn-Jahres-Tief Insbesondere in Jugendverfahren arbeiten die Bewährungshelfer eng mit regionalen Trägern wie dem ProActivCenter, oder der Gruppe Jugendhilfe zusammen, damit ein Jugendlicher vielleicht doch noch in eine Ausbildungsstelle vermittelt werden kann oder einen sozialen Trainingskurs durchläuft. Von Fahren ohne Führerschein bis hin zu Mord: Jeder Bewährungshelfer müsse sich darüber im Klaren sein, dass er es mit Tätern unterschiedlichen Kalibers zu tun hat. Die Bandbreite der Delikte reiche von Fahren ohne Führerschein über Betrugs-, Diebstahls- und Sexualdelikten, räuberischer Erpressung bis hin zu Mord. Klienten, die sogenannte „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ wie zum Beispiel eine Vergewaltigung begangen haben, werden von Justizsozialarbeitern betreut, die eine spezielle Fortbildung absolviert haben: „Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern“. Erst Sozialstunden, dann fester Job: So oft verläuft die Bewährung erfolgreich: Der AJSD vermittelt auch Stellen, bei denen die Klienten ihre Sozialstunden ableisten können. Diese Möglichkeit besteht etwa, wenn Menschen wegen Arbeitslosigkeit oder Überschuldung ihre Geldstrafe nicht zahlen können. „Wir sind im Landkreis gut vernetzt“, sagt Mundt. Solche Hilfstätigkeiten seien beispielsweise im Garten- und Landschaftsbereich zu finden. Einsatzorte seien etwa Bäder oder Bauhöfe. Auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten in Alten- und Pflegeheimen seien möglich. „Durch die gemeinnützigen Tätigkeiten haben sich auch schon positive Konstellationen ergeben, die dazu geführt haben, dass die Klienten nach Erledigung ihrer Stunden einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz in einem Seniorenheim erhalten haben“, so Mundt. Manchmal meldeten sich Klienten auch noch nach Jahren und bedankten sich für die damalige Unterstützung und Begleitung. „Oder sie suchen wieder aktiv nach Rat, da sie Behördenprobleme haben und zum Beispiel das Schreiben des JobCenters nicht verstehen und wissen, wie sie darauf reagieren sollen“, erzählt die Bezirksleiterin. Circa 70 bis 75 Prozent der Klienten durchlaufen ihre Bewährung erfolgreich, so Mundt. Diese Aufgaben nehmen die Bewährungshelfer außerdem wahr: Wie in den meisten Bundesländern nehmen Bewährungshelfer in Niedersachsen auch Aufgaben der Gerichtshilfe wahr, erklärt Mundt. Bei diesen „punktuellen Kontakten“ gehe es beispielsweise darum, die Ableistung der gemeinnützigen Stunden zu überwachen, um das Anfertigen von Beschuldigten- oder Opferberichten, Haftentscheidungshilfeberichten sowie den Täter-Opfer-Ausgleich. „Das ist keine Betreuung oder Begleitung wie bei der Bewährungshilfe.“ Wir kümmern uns nicht nur um die Täter. Tanja Mundt , Bezirksleiterin beim Ambulanten Justizsozialdienst Bückeburg In einem Haftentscheidungshilfeberichtsverfahren geben Klienten zum Beispiel Gründe dafür an, die dazu führen können, dass die U-Haft außer Vollzug gesetzt wird. „Meine Lebensgefährtin hat eine Risikoschwangerschaft und muss viel liegen. Ich muss mich um die Versorgung der beiden kleineren Kinder kümmern“, zählt Mundt Beispiele auf. Bei der Überprüfung der Angaben komme es dann auch schon mal vor, dass die Lebensgefährtin dem Justizsozialarbeiter mitteile: „Den behalten Sie mal schön da, wo er ist. Der muss sich hier nicht mehr blicken lassen nach der Nummer, die er sich geleistet hat“. Auch um die Opfer wird sich gekümmert: Mundt betont: „Wir kümmern uns nicht nur um die Täter.“ So seien im vergangenen Jahr 40 Täter-Opfer-Ausgleichverfahren durchgeführt worden. Außerdem haben die Mitarbeiter 300 Gerichtshilfeaufträge erledigt. Dabei werden beispielsweise in Verfahren von häuslicher Gewalt Opferberichte angefertigt. „Darin wird unter anderem festgehalten, ob das Opfer eine Sanktionierung wünscht, in welcher Höhe und welche Folgen der Angriff hatte. „Die Opferberichterstattung ist wichtig, damit die Geschädigten nicht unwissentlich mitbestraft werden, wenn der Täter sanktioniert werden soll“, erklärt Mundt. "Das ginge zulasten der Ehefrau und Kinder": Ein Ehemann schlägt etwa seine Frau und wird hinterher zu einer Geldstrafe verurteilt. Mehr zum Thema: Häusliche Gewalt: So wird in Stadthagen mit Tätern gearbeitet Der Ehemann ist Alleinverdiener der vierköpfigen Familie und die finanzielle Situation ist seit Langem sehr angespannt. „Die Ehefrau wäre bei dieser Fallkonstellation nicht nur geschlagen worden, sondern müsste jetzt auch noch Haushaltsgeld einsparen, damit die Geldstrafe gezahlt werden kann. Das ginge zulasten der Ehefrau und der Kinder“, so Mundt. So werden Straftäter zum Teil auch nach ihrer Haft beaufsichtigt: In Niedersachsen übernehmen Justizsozialarbeiter auch die Führungsaufsicht. Bei entsprechender Deliktschwere kann das Gericht einen Täter nach der Entlassung aus der Haft (auch wenn er die gesamte Haftstrafe abgesessen hat) unter Führungsaufsicht stellen lassen – sogar unbefristet. „Regelmäßig muss bei einer unbefristeten Führungsaufsicht alle zwei Jahre geprüft werden, ob die Aufsicht aufrechterhalten wird“, sagt Mundt. Solche Fälle machten jedoch nur etwa zwei Prozent aller Fälle beim AJSD aus. Neben der Aufsicht über den Aufenthalt können strafbewährte Weisungen verhängt werden, beispielsweise monatliche Drogenscreenings. Wer gegen eine solche Weisung verstößt, begeht eine neue Straftat, die mit einer Freiheits- oder Geldstrafe bis zu drei Jahre geahndet werden kann. von Mira Colic Lesen Sie auch: Im Schrebergarten auf Freundin eingestochen: Stadthäger (18) muss vor Gericht

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