Lebensmittel: Schaumburg kontrolliert mehr als nötig

Verbraucher sind aufgeschreckt. Nahezu täglich gibt es Lebensmittelwarnungen und Rückrufe. Gibt es zu wenig Kontrollen seitens der Behörden? Die Verbraucherschützer von Foodwatch haben bundesweit nachgefragt, wie hoch die Defizite sind. Etwa jede dritte vorgeschriebene Lebensmittelkontrolle in Deutschland fällt nach Informationen von Foodwatch aus. In Schaumburg sind im vergangenen Jahr 76 Prozent der sogenannten Soll-Kontrollen durchgeführt worden. Laut Sachgebietsleiterin Kerstin Kuhn vom Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen muss die Quote nach Vorgaben des Landes bei 55 Prozent liegen – eine Zahl, die der Landkreis deutlich übersteigt. Aber: Die Verbraucherschutzorganisation kritisiert den Erlass, der „nichts anderes als ein Aufruf zum Verstoß gegen geltende Vorgaben“ sei. Foodwatch hat den Erlass nach eigenen Angaben juristisch prüfen lassen und kommt zu der Einschätzung, „dass dieser rechtswidrig ist“. Wer kontrolliert werden muss, wird kontrolliert: Amtstierärztin Kuhn ist indes der Meinung, dass die im Landkreis herrschende Prozentzahl von 76 wenig aussagekräftig ist. „Damit wird nur gesagt, wie viele der angesichts der Betriebszahl vorgeschriebenen Plankontrollen durchgeführt worden sind.“ Allerdings seien dabei Nachkontrollen nicht erfasst. Kuhn beruhigt: „Die Betriebe, die kontrolliert werden müssen, werden auch kontrolliert.“ Zur Anschauung: Müsste ein Unternehmen (egal ob Supermarkt, Restaurant, Kneipe, Bäcker oder Fleischer) mit einer hohen Risikostufe beispielsweise laut Plan vier Mal innerhalb von zwölf Monaten kontrolliert werden, beim ersten routinemäßigen und unangekündigten Besuch werden jedoch Mängel festgestellt, die vier Nachkontrollen nötig machen, fließt dies nicht in die Statistik ein – drei fehlende Kontrollen sind das Ergebnis. Knapp 1200 Untersuchungen in Schaumburg: Insgesamt hat es 2018 in Schaumburg 1176 Untersuchungen gegeben, davon 999 geplante. Die Soll-Vorgabe lag bei 1415. In diesem Jahr lag die Vorgabe bei 1276 (aufgrund einer statistischen Bereinigung der Betriebszahl von 1904 auf 1790). Die Bezirksleiter haben 1087 Kontrollen durchgeführt, von denen 919 im Plan standen. Für die Betriebe werden Nachkontrollen teuer. Denn während ein geplanter Besuch der Behörde pauschal abgerechnet wird, geht es bei den Nachkontrollen nach Zeitaufwand – so lange, bis die Probleme behoben sind. Laut Kuhn besteht dabei in den seltensten Fällen ein Risiko für den Verbraucher. Stattdessen gehe es häufig um Kennzeichnungsmängel, fehlende Hygieneschulungen, Infektionsschutzbelehrungen oder bauliche und Hygienemängel. Einstufung in Risikokategorien: Wie oft ein Lebensmittelbetrieb besucht werden soll, regelt ein Beurteilungsverfahren, mit dem jeder Gastronom oder Händler in eine Risikokategorie eingestuft und bei planmäßigen Kontrollen beurteilt wird – eins bis neun sind möglich. Auf Basis der Ergebnisse erfolgt die Zuordnung in eine Risikoklasse, die dann die Überwachungshäufigkeit widerspiegelt. So hat beispielsweise ein Betrieb, der Essen in Kitas liefert, ein höheres Risiko, weil eine Risikogruppe gefährdet werden könne. In Schaumburg gibt es nach Auskunft von Kuhn jedoch keine Firmen, die in den ersten drei risikoreichsten Kategorien gehören. Die niedrigste Stufe neun bedeutet, dass ein Betrieb ohne Warnungen zwischendurch nur alle drei Jahre kontrolliert werden muss. Neben den Kontrollen ist das Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen auch für die vorgeschriebene Umsetzung bei Schnellwarnungen zuständig – wenn es beispielsweise Lebensmittelrückrufe gibt. „Davon hat es in diesem Jahr deutlich mehr gegeben“, so Kuhn. Bei dem Listerien-Fall sind Kuhn und ihre Kollegen auch stichprobenartig in Betriebe gegangen, um Verunreinigungen auszuschließen. Von Mira Colic Lesen Sie auch: • Listerien-Keime-Auch-Mindener-Krankenhaus-war-Wilke-Kunde • Bakterien in Milch: Defekte Dichtung soll Ursache sein

Foodwatch kritisiert Regelung - Lebensmittel: Schaumburg kontrolliert mehr als nötig