Schaumburger Ärzte protestieren gegen Impfdrängler - Geschäftsführung droht mit Konsequenzen

„Ich fühle mich wie im falschen Film“, fasst eine Ärztin die vergangenen Wochen zusammen. Aus ihrer Sicht hat die Geschäftsführung sich mit dem Vordrängeln bei der Corona-Impfung vor zahlreichen Ärzten und Pflegern des eigenen Krankenhauses einen klaren Vertrauensbruch geleistet. Und damit auch die Patienten des Schaumburger Klinikums in Gefahr gebracht. Und jetzt verweigern die Geschäftsführer laut mehrerer Ärzte, die sich an diese Zeitung gewandt haben, nicht nur eine eindeutige Entschuldigung. Ganz im Gegenteil: Sie verlangen offenbar umgekehrt eine Entschuldigung von zahlreichen Mitarbeitern, die gegen diesen Zustand auf die Barrikaden gegangen sind oder drohen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen, etwa einer Abmahnung. "Nicht der Mörder wird gehängt, sondern der Ermordete“: Ein betroffener Arzt drückt sein Unverständnis so aus: „Nicht der Mörder wird gehängt, sondern der Ermordete.“ Seit der frühen Schutzimpfung für die Geschäftsführer, Diana Fortmann und Marko Ellerhoff, brodelt es im Schaumburger Klinikum. Zahlreiche Mitarbeiter, darunter viele Mediziner, haben zu einer ungewöhnlich scharfen Methode gegriffen. Sie haben schriftlich dem Ärztlichen Direktor des Krankenhauses das Vertrauen entzogen und eine Neubesetzung seines Amtes gefordert. Neben der Enttäuschung über das unsolidarische Verhalten der Geschäftsführung wirft man Lutz Dammenhayn vor, er habe als Ärztlicher Direktor sein Amt missbraucht, um die später als „fehlerhaft“ zurückgezogene Impf-Prioritätenliste durchzusetzen. Dem widerspricht die Geschäftsführung in einem Brief an die Ärzte, der dieser Zeitung vorliegt. Darin äußert man zwar Verständnis für die Verärgerung und räumt ein, speziell bei der Kommunikation nicht alles richtig gemacht zu haben. Corona-Ausbruch bei Bauerngut in Bückeburg - 16 Mitarbeiter positiv getestet Landkreis plant Geld für mobile Luftreiniger ein - Anschaffung noch fraglich Südafrikanische Corona-Variante in Schaumburg nachgewiesen Falsche Behauptungen werde man aber nicht akzeptieren, heißt es sehr deutlich. Die Geschäftsführung schreibt, „Herr Dr. Dammenhayn hat hier in keiner Weise sein Amt als Ärztlicher Direktor missbraucht, sein Handeln stand zu jedem Zeitpunkt im Einklang mit den Entscheidungen des Krisenstabes.“ Die betroffenen Ärzte und Pflegekräfte sollten sich daher entschuldigen oder man werde „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ prüfen. Auf Anfrage dieser Zeitung äußert sich das Krankenhaus zu dem gesamten Vorgang nicht. Das betreffe die interne Kommunikation, so Pressesprecherin Jana Schwarz, „und zu dieser äußern wir uns nicht in der Öffentlichkeit.“ Landkreis Schaumburg missbilligt Impfdrängler vom Klinikum Schaumburg Wählergemeinschaft Schaumburg fordert Konsequenzen für Impfdrängler am Klinikum „Rücksichtslos und unsolidarisch“: Ärzte verurteilen Impfdrängler Für einen anderen Weg hat man sich im Sana-Klinikum in Hameln-Pyrmont entschieden. Auch dort ließen sich die Geschäftsführer vor vielen Mitarbeitern gegen das Coronavirus impfen (wir berichteten). Im Anschluss entschuldigten sich die Geschäftsführer aber, wie Landrat Dirk Adomat öffentlich bekannt gab. In Schaumburg blieb ein solches Signal aus. Zwei Mitarbeiter bringen auch den aktuellen Corona-Ausbruch auf einer Station des Krankenhauses in Verbindung mit der zu späten Impfung für Ärzte und Pfleger auf den Normalstationen. „Während die Geschäftsführung sehr daran interessiert war, sofort eine Impfung für sich selbst und ihren Krisenstab zu organisieren, haben wir Pfleger auf den Normalstationen viel zu lange auf eine Impfung warten müssen“, sagt einer. Dabei gehe es nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern vor allem auch um die Übertragung des Virus auf die Patienten. Der seit Freitag auf einer Normalstation grassierende Corona-Ausbruch im Klinikum weitet sich massiv aus. Waren am Montag noch sieben Patienten und drei Mitarbeiter betroffen, sind es jetzt bereits 17 Patienten. Am Dienstag waren drei weitere Patienten, am Mittwoch ein Patient und am Donnerstag sechs weitere Patienten positiv getestet worden, informiert der Landkreis. jak Denn gerade Pflegekräfte könnten trotz strenger Hygieneregeln engen Kontakt zu Patienten eben nicht vermeiden. Ganz im Gegensatz zur Geschäftsführung. Jeder Tag, den die Pfleger später geimpft würden, erhöhe das Risiko einer Corona-Übertragung auf ihre Patienten. Viele davon seien bereits alt und daher besonders gefährdet. „Wer sich im Krankenhaus beim Impfen vordrängelt, der handelt besonders fahrlässig, nicht nur seinen eigenen Mitarbeitern gegenüber, sondern auch gegenüber den Patienten“, ärgert sich eine Pflegefachkraft. Sie denkt: „Es ist offensichtlich, dass hier ein Fehler geschehen ist. Man sollte den Mut und die Menschlichkeit besitzen, das auch öffentlich zuzugeben, und bei uns und den Patienten um Entschuldigung bitten. Ich würde sie auch annehmen.“ Massiver Druck seit Monaten: Auch Hans Martin Wollenberg, Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund in Niedersachsen findet „die Entscheidungsfindungen im Krisenstab des Klinikums Schaumburg sind im Ergebnis kritikwürdig“. Er gibt aber zu bedenken: „Allerdings muss man auch diesen Krankenhausmitarbeitern des Krisenstabs zugestehen, dass sie seit Monaten unter einem massiven Druck stehend arbeiten.“ Er rät: „Um den Betriebsfrieden wieder herzustellen, sollten doch alle Beteiligten versuchen, wieder aufeinander zuzugehen und hierzu auch mal über den eigenen Schatten springen.“ Von Jakob Gokl