Hauptstraße Beckedorf: Straßenbaufirma zieht Arbeiter ab

Wer mit denjenigen spricht, die berufsbedingt mit der Sanierung der Hauptstraße in Beckedorf zu tun haben, bekommt derzeit nur zwei Tonlagen zu hören – schwer genervt oder äußerst gereizt. Es stehen sich in wechselnden Konstellationen gegenüber: Samtgemeinde Lindhorst, Gemeinde Beckedorf, Planer, Bauunternehmer, dazu die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, die in Hameln hockt. Vor allen zwischen dem Bauunternehmer Matthäi und der Landesbehörde sind die Fronten derart verhärtet, dass Matthäi nicht weiterarbeiten will, bis einige Knackpunkte vom Tisch sind. Klar ist: Die Sanierung der Hauptstraße wird erheblich länger dauern als veranschlagt, und sie wird ein tiefes Loch in die Kasse der Samtgemeinde reißen. Mitten im Schlachtengetümmel stehen die Beckedorfer, die gern mal wieder die Hauptstraße befahren und auf deren Bürgersteigen schlendern würden. "Seit Tagen hat sich nichts getan": Wenn Helmut Meyer über die Baustelle geht, kommt er aus dem Kopfschütteln kaum heraus. Er stupst mit dem Fuß in einen Erdhaufen: „Hier liegt alles still, seit Tagen hat sich nix mehr getan.“ Meyer gehört zur Bürgerinitiative Beckedorf. Die hatte sich im Oktober 2018 gebildet, als die Pläne zum Ausbau der Hauptstraße öffentlich wurden. 48 von 50 Anliegern machen mit, sagt Meyers Mitstreiter Willi Fedorczuk. Unverständnis im Rathaus: Rechtlich ist die Hauptstraße eine Landesstraße, offizielle Bezeichnung: L 370. So erklärt sich die Zuständigkeit der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Sie will die Hauptstraße sanieren lassen. Die Samtgemeinde beschloss daraufhin, die Kanalisation gleich mit zu erneuern. Den Anfang machte man vor vier Jahren, als der Abschnitt von der B 65 bis zum Westerntor angegangen wurde. Die Strecke, um die es nun noch geht, teilt sich in vier Abschnitte (siehe Karte). Aber schon im ersten Abschnitt – Schlesierstraße bis Vor dem Dorn – stockt das Projekt. „Seit Freitag, 13. November, herrscht Baustillstand“, teilte Svenja Edler dem Rat der Samtgemeinde in der jüngsten Sitzung mit. Das Bauunternehmen Matthäi werde vor den Winterbetriebsferien wohl kaum weitermachen, mutmaßte die hör- und sichtbar genervte Bürgermeisterin. Matthäi als Auftragnehmer und die Landesbehörde als Auftraggeberin hätten „verschiedene Auffassungen“ zu dem Bauprojekt, erklärte sie. Um dieses „dumme Zeug“ aus der Welt zu schaffen, müssten sich „alle an einen Tisch setzen“ (Edler). Die derzeitige Hängepartie könne man „den Anliegern langsam nicht mehr zumuten“. Sie selber habe „so etwas noch nicht erlebt“, kommentierte Edler den Zoff unter Straßenbauern. Das sagt Matthäi: Anruf bei Roger Meyer, Diplom-Ingenieur bei Matthäi in Langenhagen. Wo hakt es, Herr Meyer? „Wir sind hier nicht das Problem“, sagt er. „Im Bauvertrag sind die Leistungen definiert, die der Auftraggeber – in diesem Fall die Landesbehörde in Hameln – bestellt.“ Auf dieser Grundlage mache man die Kalkulation. Über jede Abweichung vom Bauvertrag müsse der Auftraggeber entscheiden, sagt Meyer, „eben das tut ‚Hameln‘ aber nicht: Ich weiß einfach nicht, was die wollen.“ So etwas „geht in meiner Welt gar nicht“. Mit „Abweichungen“ meint Matthäi-Mann Meyer zweierlei. Zum einen haben seine Leute in der Baustelle Polzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) gefunden, die beim Bau der Straße eingeschleppt worden sein könnten. PAK erregen Krebs. Bevor Matthäi mit dem schweren Gerät angerückt war, hatte das Stadthäger Ingenieurbüro Kirchner – beauftragt von der Samtgemeinde – bei Probebohrungen nichts Auffälliges gefunden. Die Entsorgung des kontaminierten Bodens kostet die Samtgemeinde Lindhorst, die eigentlich nur die Kanalisation erneuern wollte, nach Auskunft von Bürgermeisterin Edler etwa 170 000 Euro. Die – aus seiner Sicht – zweite Abweichung vom Bauvertrag erklärt Matthäi-Geschäftsführer Meyer so: „Als meine Leute losgelegt haben, fanden sie eine Straße unter der heutigen Straße, von der sie nichts wussten.“ Dabei handelt es sich um das Pflaster aus Basalt-Kopfstein, das die Hauptstraße vor Jahrzehnten geprägt hatte. Dieser Umstand hätte im LV stehen müssen, sagt Meyer. „LV“ bezeichnet das Leistungsverzeichnis, auf dem der Bauvertrag gründet. In Beckedorf ist jetzt die Hauptstraße dran Beckedorfer Hauptstraße wird ab 23. März ausgebaut Hauptstraße Beckedorf: Anlieger fürchten Kostenexplosion Das sagt das Land: Markus Brockmann, Leiter der Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, erklärt dazu: „Ich kann nicht verstehen, dass die Firma Matthäi in Beckedorf nicht weitermacht.“ Der Ton klingt ebenso gereizt wie Meyers. Es sei „eigentlich alles geklärt“, Matthäi habe sein Verhalten „nicht begründet“. Er fordere die Firma auf, „den Bauvertrag abzuarbeiten“. Brockmann räumt ein, dass „die Zusammenarbeit etwas schwierig“ sei, weil „interne Differenzen“ aufgetreten seien. Insider weisen darauf hin, dass Landesbehörde und Matthäi schon bei früheren Projekten aneinandergeraten sind. In einer Mitteilung der Landesbehörde findet sich als Datum der L-370-Fertigstellung der 13. November 2021. Das würde eine nochmalige Verschiebung um ein halbes Jahr bedeuten. Landesbehörden-Chef Brockmann sagt auf Nachfrage, er habe diesen Termin „ein wenig provokativ formuliert“. Wenn der „Knoten erst durchschlagen“ sei, könne man das Projekt „durchaus schneller abwickeln“. von Arne Boecker