Kleingärten in Lindhorst vertoßen gegen Baurecht - Gemeinde sucht Gespräch mit Landkreis

Gemeindedirektor Jens Schwedhelm sprach auf der jüngsten Sitzung von einem „Hilferuf“ der Gartenbesitzer. Ende 2020 hatten diese Post vom Bauordnungsamt bekommen – mit der Aufforderung, ihre Hütten abzureißen. Nach der Intervention eines der Adressaten ging das Bauamt auf die Gemeinde zu: Stelle diese einen Bebauungsplan auf, sei das Thema hinfällig. Ganz so einfach ist das aus Sicht des Rates aber nicht. Hinter dem Vorgang steht ein Konflikt zwischen historisch gewachsenen Strukturen, neuen Gesetzesgrundlagen und langer, stiller Duldung des Status quo. Verstoß gegen Baurecht: Aus Sicht des Landkreises ist in dem Bereich eine Kleingartenkolonie entstanden, die sich nicht mit aktuellem Baurecht vereinbaren lässt. Diesen Standpunkt hatte man schon 2011 vertreten – und darauf hingewiesen, dass für die Legalisierung dieser Kolonie der Flächennutzungsplan angepasst und ein B-Plan aufgestellt werden muss. Dies hatte der Lindhorster Rat ein gutes Jahr darauf abgelehnt. Eine der Gartenparzellen, um die es geht, gehört Heinrich Stüber. „Mit mir, uns hat in den ganzen Jahren niemand gesprochen“, sagt er. 1991 hatte Stüber den Garten von seinem Vater übernommen, welcher ihn von seinem Vater übernommen hatte, der ihn wiederum von seinem Vater übernommen hatte (also Stübers Urgroßvater). Ein kleines Gerätehaus aus Blech inklusive Holzunterstand steht darauf, Gesamtfläche sieben Quadratmeter. Baumschutz: Lindhorster Bauausschuss will Ergebnisse von AG abwarten Lindhorst erneuert Straßen in der Westsiedlung - Keine Kosten für Anlieger Glasfaserausbau: Lindhorst will Experten beauftragen Insgesamt sind es mal acht dieser Parzellen gewesen. Mittlerweile sind die meisten aufgegeben worden: zwei sind bebaut, zwei gehören heute zur angrenzenden Ackerfläche, eine liegt brach. In Summe geht es also noch um drei dieser Gärten, die ein gewisser Hermann Gumpel im Jahr 1893 an Anwohner der heutigen Sachsenhäger Straße verkaufte. Diese bauten dort Gemüse und Kartoffeln an, weil es an den eigenen Häusern kaum Fläche dafür gab. Heute hält das nur noch Stüber selbst so, aber: „Das ist historisch so gewachsen“, sagt er. „Als wir die Fläche gekauft haben, gab es keinen F-Plan.“ Auch habe zur Zeit der Koloniegründung noch keine Niedersächsische Bauordnung bestanden, „ebenso kein Baugesetzbuch, selbst die Vorgängerregelung von 1936 ist jünger“. Zudem hätten die Eigentümer nicht „wild drauflos gebaut“, sondern sich vorher mit der Gemeinde besprochen. Ergebnis: Für die Hütten ist keine Baugenehmigung nötig, weil sie kein Fundament brauchen. Nach Aktenlage ist das gesamte Gelände somit Außenbereich, auf dem keinerlei Bebauung geduldet werden darf. Allerdings entspricht die Aktenlage meiner Meinung nach nicht den Tatsachen. Heinrich Stüber , Eigentümer Mit Blick auf die Akten könne er die Entscheidung des Landkreises sogar nachvollziehen, so Stüber – Gemeinde und Samtgemeinde Lindhorst hätten das Areal eben nie in einen F- oder B-Plan aufgenommen. „Nach Aktenlage ist das gesamte Gelände somit Außenbereich, auf dem keinerlei Bebauung geduldet werden darf. Allerdings entspricht die Aktenlage meiner Meinung nach nicht den Tatsachen.“ Ein Planänderungsverfahren würde aber einen fünfstelligen Betrag kosten, so Gemeindedirektor Schwedhelm – recht viel für drei kleine Gärten. Ihm zufolge bezieht sich der Landkreis im Paragrafen 35 des Baugesetzbuchs auf diesen Passus: „Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt.“ Weniger Flächen bewirtschaftet: Aber, so Schwedhelm: „Was ist in den letzten zehn Jahren dort passiert? Die Anzahl der bewirtschafteten Flächen hat sich eher verringert.“ Er plädierte dafür, sich bei einem Ortstermin mit Kreis-Vertretern erklären zu lassen, wie diese die „Entwicklung einer Splittersiedlung“ begründen. „Es muss einen Kompromiss geben“, ergänzte Heinrich Widdel (CDU). Den könne man bei einem solchen Treffen erarbeiten. Mögliche Geldstrafen oder den Abriss der Hütten „sollten wir den Bürgern nicht zumuten“, so Widdel weiter, der bemängelte, dass der Landkreis jetzt „massiv Druck“ ausübe, sich aber in den vergangenen zehn Jahren nichts getan habe. Auch Horst Schimmelpfennig (SPD) bekräftigte, eine Lösung finden zu wollen, „die dem Wunsch der Bürger gerecht wird“. Offiziell als Kolonie ausweisen: Matthias Hinse (fraktionslos) forderte, endlich eine Lösung zu finden: Aus seiner Sicht sei es eine „charmante Idee“, dort offiziell eine Kleingartenkolonie auszuweisen. Diese seien im Kommen, auch bei jungen Menschen – um dies zu ermöglichen, könne man auch ruhig Geld in die Hand nehmen. Bevor es möglicherweise um solche Zukunftsfragen geht, will der Rat aber versuchen, „die drei Hütten da“ (Widdel) zu retten. Das Aufstellen eines B-Plans lehnten die Mitglieder einstimmig erneut ab. Stattdessen soll es zunächst besagtes Treffen geben. „Mit der Entscheidung bin ich jetzt erstmal zufrieden“, sagt Gartenbesitzer Stüber. Das Thema sei eine „total verfahrene Kiste“ – bewege sich jetzt aber immerhin wieder etwas. Von Thomas Rocho