So bereitet sich der Gümmersche Hof in Lindhorst auf die Corona-Impfungen vor

Lassen Sie uns mit der aktuellen Lage beginnen, Herr Reck. Wann beginnt bei Ihnen das große Impfen? Unser letzter Stand lautet: Montag, 4. Januar. „Letzter Stand“ heißt wahrscheinlich, in diesem Thema stecken zahlreiche Unwägbarkeiten, oder? Oja. Wir denken hier inzwischen von Stunde zu Stunde. Der Ablauf der Ereignisse in den vergangenen neun Tage ist in der Tat spektakulär. Das ist so, aber ich kann letztlich niemandem einen Vorwurf machen. Die Situation im Landkreis ist abhängig von jener in Land und Bund. Und die Zusammenarbeit mit Heimaufsicht und Impfzentrum funktioniert auch. Letztlich hat niemand jemals so eine Lage erlebt, das ist alles Neuland. Dazu kommt der Papierkrieg... Papierkrieg? Das Einholen der Einverständniserklärungen zur Impfung ist nun mal sehr aufwendig. Unsere Ansprechpartner sind Bewohner, Angehörige und Betreuer. Ich glaube nicht, dass ich in meinem Leben schon mal so oft am Kopierer gestanden habe. Wie hoch ist die Impfbereitschaft? Fast alle Bewohner wollen sich impfen lassen, bei den Mitarbeitern sind es zwei Drittel. Woran liegt das? Die Heime sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Es kreisen zum Thema Impfung viele Gerüchte und falsche Angaben, die auszuräumen schwer und anstrengend ist. Bundesweit hat sich die Hälfte aller Todesfälle im Zusammenhang mit Covid-19 in Alten- und Pflegeheimen ereignet. Sind sie im Gümmerschen Hof ohne Infektion durchgenommen? Fast. Wir hatten einen Fall. Bewohner oder Personal? Darf ich wegen des Datenschutzes nicht sagen. Was ich sagen kann: Der Fall ist glimpflich ausgegangen. Insgesamt lag der Gümmersche Hof zehn Tage in Quarantäne, obwohl sämtliche Teste belegt haben, dass sich niemand angesteckt hat. Zu Beginn der Pandemie gab es Probleme mit dem Material. Auch bei Ihnen? Nein, das lief recht reibungslos, über die Jahre haben wir gute Beziehungen zu Lieferanten aufgebaut. An der Reaktion des Markts hat man aber gemerkt, wie viel Druck sich aufgebaut hat. Das müssen Sie erklären. Beispiel Einmal-Handschuhe: Vor Corona haben 100 Stück 2,49 Euro gekostet, heute kosten sie vierzehn Euro. Wenn wir schon beim Geld sind: Alten- und Pflegeheime sind auch Wirtschaftsunternehmen. Können Sie abschätzen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen SARS-CoV-2 haben wird? Wir werden klarkommen. Das Land Niedersachsen gleicht Mehrausgaben und Mindereinnahmen aus. Das gilt einerseits für Material, andererseits für Betten, die wegen der Pandemie nicht belegt werden dürfen. Ohne Landeszuschüsse käme allerdings kein einziges Alten- und Pflegeheim über die Runden. Von den Bilanzen nochmal zurück zu den Menschen: Wie kommen die Bewohner in der Krise zurecht? Ganz gut eigentlich. Das liegt aber auch daran, dass wir hier über eine Generation sprechen, die nicht schnell zu jammern beginnt. Was den Bewohnern sehr fehlt, sind die unbeschwerten, gemeinsamen Aktivitäten wie Spielen und Singen. Meine Mitarbeiter versuchen das Angebot zwar - so gut es geht – aufrechtzuerhalten, aber das ist doch alles recht mühsam. Dienstag, 22. Dezember: Wolfang Reck bekommt von der Heimaufsicht, die beim Landkreis angesiedelt ist, den Auftrag, die Einverständniserklärungen zur Impfung an Bewohner, Angehörige und Betreuer zu verteilen. Sonntag, 27. Dezember: Das Impfzentrum teilt telefonisch mit, dass die Aktion „zeitnah“ beginnen wird. Montag, 28. Dezember, 8 Uhr: Anruf – am Mittwoch, 30. Dezember, geht es los. Montag, 28. Dezember, 10 Uhr: Kommando zurück! Die Impfdosen, die eigentlich für den Landkreis Schaumburg vorgesehen sind, gehen in einen anderen Landkreis, weil dort die Zahl der Neuinfektionen höher ist. Neue Ansage: Am Montag, 4. Januar, oder am Dienstag, 5. Januar, wird mit der Impfung in Schaumburgs Alten- und Pflegeheimen begonnen. Freitag, 1. Januar: Am Montag, 4. Januar, soll der Gümmersche Hof den kreisweiten Auftakt der Impfkampagne erleben. ab Wie verhalten sich die Angehörigen? Auch hier muss ich sagen: Der weitaus größte Teil akzeptiert die Regeln, sogar die nervige Schnelltesterei. Wie meine Kollegen in anderen Häusern bestätigen werden, reichen aber ein, zwei Quertreiber, um uns viel Arbeit und Nerverei zu bescheren. Kein Heimleiter lässt zu, dass Angehörige Pfleger oder Krankenschwestern anmaulen. Was macht die Pandemie mit Ihrem Personal? Meine Leute fahren auf dem allerletzten Tropfen Benzin, so viel ist mal klar. Es ist extrem stressig, in einem eingespielten System von einem Tag auf den anderen alle Abläufe über den Haufen zu werfen. Ich habe das Glück, sehr engagierte und gut organisierte Mitarbeiter zu haben. Ohne deren Einsatz ginge es nicht. Darf ich ein Beispiel dafür nennen, wie der Druck, den so eine Pandemie auslöst, auch erfreuliche Auswirkungen haben kann? Bitte. In der Branche weiß man, dass es in den Häusern oft zwischen Küchen- und Pflegepersonal knirscht, das war schon immer so. Seit wir alles neu denken und machen müssen, steckt jede und jeder ein wenig zurück. Ich hoffe, dass wir ein bisschen von diesem Geist in die Zeit nach Corona rüberretten können. Zum Schluss zu Ihnen: Können Sie das C-Wort überhaupt noch hören? Nein, natürlich nicht, mir geht es wie den meisten Menschen. Das Virus verlangt uns viel ab. Wenn ich abends nach Hause komme, lege ich mich gern kurz aufs Sofa. In diesem Jahr bin ich oft eingeschlafen und nach ein paar Stunden hochgeschreckt. Meist hat es sich dann nicht mehr gelohnt, noch ins Bett zu gehen... (Anm. d. Red.: Für dieses telefonische Interview hat Wolfgang Reck am Silvester- und am Neujahrsmorgen zur Verfügung gestanden.) Interview: Arne Boecker Dies ist das Hygiene-Konzept der Lindhorster Feuerwehren Die Polizei jagde in Bucholz ein unbekanntes Flugobjekt Corona-Quarantäne in Kreisaltenzentrum Stadthagen