Aus für 150-Millionen-Euro-Klinik: Bad Nenndorfs größtes Luftschloss

Jetzt ist es amtlich: Das Planungen für das Projekt Royalvital-Wohnpark bei Bad Nenndorf sind endgültig verworfen. Stadtdirektor Mike Schmidt berichtete vor Politikern darüber, dass das Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplans eingestellt worden ist. Der Grund: Seit mehreren Jahren gibt es keinen Kontakt mehr zwischen den Investoren und der Verwaltung. Es war schon ein Hammer, der da im März 2015 präsentiert wurde: Ein 150 Millionen Euro teures Zentrum für alternative Medizin sollte bis Ende 2018 am Rande der Kurstadt eröffnen. Initiator war Pal Pinke, Inhaber des Harms-Geländes, auf dem nach wie vor Bad Nenndorfs größte Industrieruine steht. 42.000 Quadratmeter Platz wurden für die Klinik benötigt, deren Angebote sich wohl vor allem an wohlhabendes Publikum gerichtet hätten. Klinik nicht in größerer Stadt: Eine gute Verkehrsanbindung sei nötig, hieß es. Und das Gesundheitszentrum sollte bewusst nicht in einer größeren Stadt entstehen. Diese Argumente brachten Pinke und der als Projektmanager installierte Erhard Tschirner aus Köthen vor, wenn sie gefragt wurden, warum ausgerechnet Bad Nenndorf als Zielstandort ausgewählt worden war. Dennoch blieb bei Politikern, Verwaltung und anderen Beobachtern eine gehörige Portion Skepsis. Was die Gruppe plante, wirkte einfach zu unglaublich, um ernst gemeint zu sein. Abgesehen von mehreren naturheilkundlichen Praxen sollte das Gesundheitszentrum eine Apotheke, buddhistische und christliche Kapellen, einen Kindergarten, ein Luxus-Restaurant und fünf Spas beinhalten. Hinzu kamen Wohnungen sowohl für Personal als auch für Patienten. Als Kirsche auf der Torte sahen die Pläne sogar einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Klinikgebäudes vor. Im Mai 2015, bei einer Präsentation im Hotel Delfin, bekräftigten die Beteiligten die Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens. Sowohl angebliche Geldgeber als auch Architekten hatten Pinke und Tschirner mitgebracht. Auch etliche eher zweifelnde Fragen brachten keinen der teils aus dem Ausland angereisten Protagonisten aus dem Tritt. Der Landeplatz sei möglicherweise etwas übertrieben und kein Muss, räumte einer der Herren ein. Dezember 2015: Kommunikation reißt ab: Eine Zusammenarbeit mit dem Staatsbad Nenndorf wäre denkbar, hieß es. Und als etwas später der Kraterzoo direkt gegenüber aufgegeben wurde, signalisierten die Klinik-Planer sogar Interesse, dort exotische Tiere unterbringen zu lassen – zum Amüsement der Patienten. Im Dezember 2015 zeigte sich dann erstmals, dass die anfängliche Skepsis berechtigt war. Da war die Kommunikation mit der Planungsgruppe nämlich erstmals zum Erliegen gekommen. „Klinik-Pläne wohl auf Eis“ lautete die Schlagzeile dieser Zeitung. Im April 2016 kam nocheinmal Bewegung in die Sache, als die Gruppe um Pinke erklärte, sie habe nach wie vor großes Interesse an dem Standort. Immerhin wurde bereits eingeräumt: Das Ziel, Ende 2018 zu eröffnen, sei kaum mehr zu halten. Es waren wohl diese realistisch wirkenden Bröckchen, die zumindest die Hoffnung aufrecht hielten, dass die Kurstadt tatsächlich mit einem solchen Prestigeobjekt bedacht werden könnte, ohne dafür irgendetwas leisten zu müssen. Denn sämtliche Arbeit und Kosten wollten die vermeintlichen Geldgeber übernehmen. Firmengründung in den USA: Nach weiteren sieben Monaten Tiefschlaf folgte das letzte Lebenszeichen: Die „Royalvital Incorporation Deutschland AG“ wurde gegründet. Allerdings mit Sitz im US-Bundesstaat Oregon. Warum die USA? Das ließ sich nie ergründen. Es kam auch nie zur Unterzeichnung eines städtebaulichem Vertrags zwischen Investor und Stadt. Seit 2017 herrscht komplette Funkstille. Das ist für die Stadt vor allem deshalb ärgerlich, weil die Politik auf eine Nachnutzung des Harms-Grundstücks drängt. Denkbar wäre die Ansiedlung von Gewerbe oder Wohnraum. Enteignen kann die Kommune den Inhaber allerdings nicht. Und da dieser nicht kommuniziert, bleibt die dortige Ruine bestehen. Mit der Einstellung des Bebauungsplanverfahrens ziehen Stadt und Landkreis nun einen nüchternen Schlussstrich unter die immerhin unterhaltsame Episode Royalvital-Wohnpark. Dabei handelte es sich um einen reinen Verwaltungsakt. Immerhin: Laut Stadtdirektor Mike Schmidt entstanden der Kommune wirklich keine Kosten. Die Pilzfarm: Erst Lauenau, dann Nenndorf, dann ganz woanders Die Druckerei: Sedai will die komplette Gehrenbreite? Von wegen... Der Autobauer: Volkswagen arbeitet sich an Landschaftsschutz ab Von Guido Scholl