Bad Nenndorf: Alter Streit um Weltkriegs-Denkmal an Godehardi-Kirche flammt auf

Auf der Rednerliste hatte Hans-Joachim Schultz-Waßmuth gar nicht gestanden. Aber nachdem Dietmar Buchholz für Bad Nenndorf ist bunt (BNib) gesprochen hatte, drängte es Bad Nenndorfs Pastor für eine kurze „Richtigstellung“ zum Mikrofon. Die durch Buchholz‘ Worte schimmernde Vermutung, dass die Kirchengemeinde ihre schützende Hand über ein umstrittenes Kriegsdenkmal halte, sei nicht korrekt. Denkmalstein liegt Kirche schwer im Magen: Aus Respekt vor dem Thema der Ausstellung „Deutschlands Umgang mit der NS-Zeit“, zu der Bucholz gesprochen hatte, fasste sich Schultz-Waßmuth kurz, aber klar wurde doch: Dieser dicke Denkmalstein vor der evangelischen Kirche liegt Bad Nenndorf seit Jahrzehnten schwer im Magen. Der etwa drei Meter hohe Findling aus Granit liegt vor der St.-Godehardi-Kirche. Seine Aufschrift: „Unseren Helden, 1914-1918, 1939-1945“. Davor sind die Namen jener Männer aufgelistet, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallen sind, dazu eine Texttafel. Man gedenkt derer, die „durch Flucht und Bombenangriffe ums Leben kamen“. Kritik an "Verantwortungs-Pingpong": BNib-Vertreter Buchholz griff das Thema während der Ausstellungseröffnung auf. Nachdem er an mehreren Beispielen dargelegt hatte, warum in Bad Nenndorf – wie fast überall in Deutschland – die Aufarbeitung der Nazizeit entweder gar nicht oder nur halbherzig angegangen worden war, widmete er sich dem Findling vor der Kirche. Scharf kritisierte er das „Verantwortungs-Pingpong“ aller beteiligten Stellen und Behörden. Das Resultat: Stein und Inschrift scheinen unverrückbar und unantastbar zu sein. Nachdem Pastor Schultz-Waßmuth kurz Rücksprache mit Nenndorfs Stadtdirektor Mike Schmidt gehalten hatte, schnappte er sich das Mikrofon und wies den „Pingpong“-Vorwurf zurück, so er denn die Kirchengemeinde betreffe. An deren Willen fehle es nicht, beteuerte er. Auch ihm persönlich missfalle es, aus seiner Wohnung direkt auf „das Ding“ schauen zu müssen. Wenig gesicherte Erkenntnisse über den Denkmalstein: Wer in die Geschichte des Denkmals eintaucht, kommt schnell zu diesem Schluss: Es ist erstaunlich, wie wenig gesicherte Erkenntnisse es über den wuchtigen Stein gibt, obwohl er mitten in Bad Nenndorf liegt. Das fängt schon damit an, dass nicht exakt bekannt ist, wann und von wem das Denkmal errichtet wurde. Sicher ist: 1983 wurde es renoviert, dabei erneuerte man die Inschrift. 1985 wurde über die 13 Buchstaben – „Unseren Helden“ – in der Stadt erheblich diskutiert. „Einer der Auslöser war die ‚Befreiungs‘-Rede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Kriegsendes“, erinnert sich Bündnis-Mann Buchholz an die Mitte der Achtziger. Wer ist für den Stein zuständig? Schon damals war ein juristisches Detail umstritten. Wenn der Boden, auf dem der Stein steht, der Kirchengemeinde gehört – was unstrittig ist –, gehört ihr dann auch der Stein? Stadt und Landkreis sagen „Ja“. Die Kirchengemeinde meint, dass der Stein dem gehört, der ihn „nutzt“, und das sei die Stadt. Beispielsweise für die Gedenkfeier am Volkstrauertag. Letztlich ist dies jedoch ein Streit um des Kaisers Bart. So sieht das auch Schultz-Waßmuth: „Änderungen müsste der Landkreis als Denkmalschutzbehörde genehmigen, die Eigentumsverhältnisse sind dafür gar nicht wichtig.“ Gespräche über das Denkmal sollen wieder aufgenommen werden: Man behalte das Thema im Blick, sagte der Pastor. Dem schloss sich Stadtdirektor Mike Schmidt an. „Wir hatten in diesem Jahr noch kompliziertere Probleme als dieses zu bewältigen“, sagte der Verwaltungschef mit Verweis auf die Corona-Pandemie, „aber wir werden den Gesprächsfaden zur Gestaltung des Denkmals ganz sicher wieder aufnehmen.“ Für die Zukunft des Steins scheiden zwei Varianten aus, die in der Vergangenheit für zusätzlichen Gesprächsstoff gesorgt haben. 1985 tunkten Unbekannte das Denkmal in grelle rosa Farbe, einige Jahre später überwucherte – beabsichtigt oder nicht – Efeu das Kriegsdenkmal. Doch dann schnitten eifrige Gemeindearbeiter das Grünzeug wieder zurück, und der „Helden“-Stein glänzte erneut in der Sonne. Von Arne Boecker Bad Nenndorfer Süntelbuchen stehen auf Naturdenkmal-Warteliste Naturdenkmal direkt neben VW-Werk - Bad Nenndorfer sehen Fehlinvestition Bürgerentscheid in Bad Nenndorf: Agnes-Miegel-Denkmal kommt weg