SN-Serie "Türen im Advent": Der vergessene Keller unter dem ehemaligen Bahnhof Wiedensahl

Wenn jemand eine Reise tut, kann er was erzählen, heißt es. Der Wiedensahler Meinhard Behrens, 55, liefert den Beweis dafür, dass auch derjenige mitschnacken kann, der zu Hause bleibt – aber einen Bahnhof kauft. Vor genau zehn Jahren hat er den aufgelassenen Wiedensahler Bahnhof gekauft. Auch nach dieser langen Zeit kann ihn das markante Bauwerk immer noch überraschen – wie sich jetzt wieder einmal eindrucksvoll zeigte. Ein wenig abseits von der Hauptstraße liegt der Bahnhof im Feld wie ein gestrandetes Schiff. 1920 gebaut, rollten hier Personen (bis 1962) und Güter (bis 1969) in Bahnwagen durch, bei Bedarf hielt die Lok sogar. Die Strecke reichte von Stadthagen und Niedernwöhren bis nach Münchehagen, Loccum und Leese. Vor genau zehn Jahren zog Ingenieur Behrens mit seiner Lebensgefährtin ein, die Kinder sind inzwischen aus dem Haus. Auf einer alten Karte ist der ungeahnte "Erdkeller" eingezeichnet: „Im vergangenen Jahr haben wir erstmals Kartoffeln angebaut, hinten unterm Storchennest“, erzählt Behrens. 300 Kilo schwer war die Ernte auf Anhieb, „stolz wie Bolle haben wir sie aus dem Boden geholt“. Weil der reguläre Keller zu warm war (direkt drüber bollert eine Heizung), sann Behrens über eine Alternative nach. Als er nochmal sehr genau auf eine alte Karte schaute, entdeckte er einen „Erdkeller“, von dem er bis dahin nichts geahnt hatte. Auch der Vorbesitzer wusste nichts Genaues, nur dass in dem Keller wohl früher Hühner gescharrt und Ziegen gemeckert haben sollen. Noch davor muss er der Bahn als Lager gedient haben, hieß er doch „Petroleum-Keller“. Hinter 14 Kubikmetern Bauschutt wartet - nicht das Bernsteinzimmer: „Also habe ich angefangen zu buddeln“, sagt Behrens. Recht schnell stieß er auf eine sandsteinerne Treppe und auf einen türlosen Eingang. 14 Kubikmeter Bauschutt brachte Behrens um die Ecke, bevor er die Kammer betreten konnte. Was würde er finden: Nichts? Totenköpfe? Gold und Geschmeide? Das Bernsteinzimmer? Die Wahrheit lag dann recht nah an „nichts“: Gerade einmal einen verrosteten Eimer erbeutete Behrens. Im Bauschutt hatte er ein Emaille-Schild gefunden. Das hübschte er auf und befestigte es an einer alten Holztür, die er irgendwo im Bahnhof gefunden hatte. Heute lagert Leckeres im ehemaligen Petroleum-Keller: Der Keller selber, vier mal zweieinhalb Meter groß, brauchte „eigentlich nur ein bisschen Farbe“, um wieder in Gebrauch genommen werden zu können, wie Behrens sagt. Im Keller ruhen jetzt Kartoffeln, dazu Kürbisse und Zucchini, dazu Honig. „Wir probieren gerade aus, wie lange sich Lebensmittel hier halten“, sagt Behrens, der Bahnhofsbesitzer. Er hat sich ein bisschen in die Materie vertieft und daraufhin ein System installiert, das Durchzug produziert. Dazu reaktivierte er einen Schornsteinschacht und schnitt Schlitze in die Tür. „Ich habe mich total gefreut, dass wir einem historischen Raum einen neuen Sinn geben konnten“, sagt Behrens. Dafür musste er eigentlich nur ein bisschen graben und dann eine neue, alte Tür in das Kellerloch einpassen. Wenn Behrens irgendwann mal mehr Zeit hat, will er die Geschichte des Bahnhofs aufarbeiten. Wer Bilder oder Dokumente besitzt, darf sich gern bei ihm melden. „Das Bild einer Lok in voller Fahrt – das wär’s!“ Von Arne Boecker • Tür 1: Sicher aufgehoben: Das sind die Gewahrsamszellen der Polizei in Stadthagen • Tür 2: Das ist das Heeßer Bahnwärterhäuschen mit Steuertechnik von 1961 • Tür 3: Museumslandschaft gibt Einblicke auf Dachböden von Museum und Mühle • Tür 4: In Rinteln steht ein Archivhäuschen voller Geheimnisse • Tür 5: Der Blick in die Integrierte Regionalleitstelle Schaumburg/Nienburg • Tür 7: Altes Polizeigebäude soll Platz für Kunst und Kultur werden • Tür 8: Diese Türen in der Kirche in Sachsenhagen öffnen sich nur alle 30 Jahre • Tür 9: Internationales Hubschrauberausbildungszentrum in Bückeburg: Wo Soldaten (und andere) das Fliegen lernen • Tür 10: Für ein volles WEZ-Lager sorgen Menschen, Maschinen und mobile Datenerfassung • Tür 11: Mit der Geldbombe zur Sparkasse: Ein Blick in den Panzerschrank • Tür 12: Das Rätsel des vergessenen Kellers unter dem ehemaligen Bahnhof Wiedensahl • Tür 13: Wasserwerk in Obernkirchen: Hier entsteht das Trinkwasser der Bergstadt • Tür 14: Der Sprecher-Turm des SV Nienstädt 09: Wo sich dänische Nationalspieler Bier besorgten