Glasfaser-Internet in Nienstädt, Sachsenhagen und Nenndorf: Bürgermeister helfen Investoren

Kaum ein Thema wird in den Samtgemeinden Nienstädt, Nenndorf und Sachsenhagen derzeit so heiß diskutiert wie die Werbeoffensive der Deutschen Glasfaser (DG). Sie will bundesweit schnelles Internet in die ländlichen Regionen bringen, indem sie Glasfaser-Leitungen bis direkt ins Haus legt. Laut Eigenauskunft versteht sich die Deutsche Glasfaser als „kooperativer Partner der Kommunen“. Im PR-Sprech heißt es weiter, man fühle sich „den ländlichen Regionen verbunden“. Die DG befindet sich im Besitz der schwedischen EQT. Das ist eine Gruppe von Finanzinvestoren, die vor allem Risiko- und Beteiligungskapital einsammelt und vergibt. Zum Hintergrund: Das hat die Deutsche Glasfaser in den Samtgemeinden vor - und das sagen Befürworter und Kritiker Bürgermeister übernehmen Werbesprache der Deutschen Glasfaser: Am Beispiel der Samtgemeinde Nienstädt wird deutlich, wie weit die Bürgermeister aus Nienstädt und Seggebruch, Hespe und Helpsen gehen, um der börsennotierten Deutschen Glasfaser unter die Arme zu greifen. Mitte Juni war den Bürgern Nienstädts ein Brief ins Haus geflattert. Er trug den Briefkopf von Gemeindedirektorin Sandra Wichmann, war aber von Bürgermeister Gerhard Widdel unterschrieben. Darin wird detailliert das Angebot der DG vorgestellt. Gleichlautende Briefe haben die Bürgermeister Manfred Kesselring (Helpsen, SPD), Uwe Grone (Hespe, SPD) und Jörn Wittkugel (Seggebruch, SPD) an alle Haushalte verschicken lassen. Wittkugel kann an dem Liebesdienst für die DG nichts Schlimmes finden: „Das war kein Werbebrief, sondern eine Bürgerinfo“, sagt er. Das war kein Werbebrief, sondern eine Bürgerinfo. Jörn Wittkugel , Bürgermeister in Seggebruch Die Diktion des Briefes spricht eine andere Sprache. Offensichtlich haben die Bürgermeister schlicht das kopiert und weitergereicht, was die PR-Profis der DG vorformuliert haben. Das Unternehmen wolle ein „komplett neues, hochmodernes Kommunikationsnetz“ knüpfen, das „den Anforderungen der Zukunft gewachsen sein wird“. Das Angebot sei „einmalig und zeitlich begrenzt“, schreiben die Bürgermeister in den gleichlautenden Briefen. Sie hoffen „auf eine erfolgreiche Umsetzung dieses zukunftsweisenden Projektes“ und verbleiben „mit freundlichen Grüßen“. Nenndorf: Verwaltung als Glasfaser-"Info-Point"? Noch weiter geht Mike Schmidt, Bürgermeister der Samtgemeinde Nenndorf. Wie kein zweiter Verwaltungschef in Schaumburg nutzt er Facebook, um seine Botschaften unter das Volk zu bringen. In Sachen DG schreibt er: „Wir haben gemeinsam die Möglichkeit, einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung unserer Samtgemeinde zu machen.“ Für weitere Informationen verweist er auf die Homepage der DG. Turbo-Internet für die Samtgemeinde Nienstädt? So sollen die Nenndorfer zu schnellem Internet kommen 9000 weitere Haushalte in Schaumburg haben jetzt schnelles Internet Schmidt bietet sogar an, als eine Art Info-Point das Geschäft der Deutschen Glasfaser zu betreiben: „Gerne natürlich auch Fragen an mich, an die Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden oder an die Verwaltung.“ Wie ernst Schmidt das meint, zeigt sich daran, dass er sich kraftvoll in das Kommentar-Getümmel wirft, das unter seinem Beitrag herrscht. Kritische Anmerkungen zum Tarifsystem der DG kann er kundig kontern: „Der 300er-Tarif Glasfaser kostet nach zwölf Monaten soviel wie jetzt der 100er-Telekom-Kupferkabel-Tarif.“ In Hespe schwimmt eine Ratsfrau gegen den Strom: Auch in der jüngsten Sitzung des Hesper Rates spielte die Deutsche Glasfaser eine wichtige Rolle. Er bekomme in dieser Sache „extrem viele Anrufe“, sagte Bürgermeister Uwe Grone. Den DG-Vorstoß sehe er als „einmalige Chance“. SPD-Ratsherr Heiko Vehling-Claus hält die DG „für ein seriöses Unternehmen“. Das habe ihm ein Bekannter bestätigt, der für einen Konkurrenten arbeite. Lediglich die fraktionslose Ratsfrau Daniela Möhlenbrock störte die Eintracht. Mit ihrem Brief hätten die Bürgermeister „kommunale Daseinsvorsorge an eine Privatfirma abgegeben“, argumentierte sie. Mit ihrem Brief haben die Bürgermeister kommunale Daseinsvorsorge an eine Privatfirma abgegeben. Daniela Möhlenbrock , Ratsfrau in Hespe Bürgermeister Grone versuchte den Brief zu verteidigen. Man habe sich entschieden, die Initiative der DG zu unterstützen, sagte er, und schob nach: „Sollen wir das etwa verbieten?“ Möhlenbrock wies Grone darauf hin, dass es nicht um die Alternative zwischen „Unterstützung“ und „Verbot“ gehe. Welche Verträge Bürger zu welchen Konditionen abschlössen, müsse den Bürgern überlassen bleiben. Auf Nachfrage erklärte die Ratsfrau, dass zumindest sie niemand gefragt habe, ob der Bürgermeister im Namen der Gemeinde ein Werbeprospekt verschicken solle. von Arne Boecker