Glasfaser-Internet in Nienstädt, Sachsenhagen und Nenndorf: Deutsche Glasfaser mischt Markt auf

Der junge Internet-Anbieter Deutsche Glasfaser (DG) drängt im Landkreis Schaumburg auf den Markt. Dabei setzt die DG auf flächendeckende Werbung und professionelles Marketing. Das stärkste Verkaufsargument: Das Unternehmen knüpft ein Glasfasernetz, das bis in die Häuser reicht. Nutzer können sich also viel schneller im Netz tummeln, als sie das von Wettbewerbern wie der Telekom gewohnt sind. Deutsche Glasfaser fährt Werbeoffensive - und will eine Lücke füllen: Wer derzeit durch die Dörfer in den Samtgemeinden Nienstädt, Sachsenhagen oder Nenndorf fährt, muss glauben, dass eine Bundestagswahl ansteht, bei der nur eine einzige Partei antritt – die Deutsche Glasfaser. Werber ziehen im Auftrag der DG von Haus zu Haus, Videokonferenzen verkünden die frohe Botschaft. Wer den Vertrag unterschrieben hat, darf sich ein himmelblaues „Wir sind dabei“-Schild in den Vorgarten rammen. Die Deutsche Glasfaser stößt in eine Lücke, die die Deutsche Telekom mit ihrem Angebot geöffnet hat. Sie hat ihre Technik in Schaumburg zwischen März 2018 und Juni 2019 zwar aufgerüstet, aber mehr als 100 Megabit je Sekunde quetscht sie im Regelfall aus ihrem Netz nicht heraus. Die Deutsche Glasfaser garantiert dagegen bis zu 1000 Megabit, im Tech-Sprech ein Gigabit. Die Angebote der Anbieter sind nicht leicht miteinander zu vergleichen. Zum Teil wird mit Sonderangeboten für das erste Jahr und Rabatten für Online-Buchungen geworben. Was soll ins Paket: Nur der Internet-Zugang? Oder auch TV und Telefonie (Festnetz/Mobilfunk)? Und: Kommt im Haus auch wirklich die versprochene Leistung an? Wer die Tarife und Leistungen der Deutsche Glasfaser im Detail studieren möchte, kann dies unter www.deutsche-glasfaser.de tun. Wer das Angebot der Deutschen Telekom – als Beispiel für einen Wettbewerber – dagegen halten möchte, wird auf www.telekom.de fündig. ab Die DG geht mit ihrem Angebot gezielt in die ländlichen Regionen, die seit jeher nach schnellem Internet dürsten. Daran schließt sich eine wichtige Frage an: Sind die Finanzinvestoren, die hinter DG stehen (siehe Kasten), potent und geduldig genug, um ein komplett neues Netz in die Dörfer zu legen? Leichter verdient man sein Geld als Anbieter in Städten, in denen die Wege kurz sind. Die Deutsche Glasfaser hat ihre Angebote gestaffelt. Zwei Beispiele: Wer den Tarif „basic 300“ bucht, dem garantiert die DG ein Netztempo von 300 Megabit je Sekunde. Dafür muss der Kunde ab dem zweiten Jahr 50 Euro zahlen. Der leistungsstärkste Tarif – „giga 1000“ – bringt 1000 Megabit je Sekunde ins Haus, für 90 Euro ab dem zweiten Jahr. Befürworter: Preis-Leistungs-Verhältnis passt: Andreas Höhn wird von der Deutschen Telekom zu Deutsche Glasfaser wechseln. Höhn wohnt in Nienstädt und ist als EDV-Systemberater tätig. Derzeit hat er bei der Telekom einen Vertrag, der ihm für monatlich 44 Euro 100 Megabit ins Haus bringt. „Schneller geht mit der Telekom hier nun mal nicht“, sagt er. Wechseln will er, wenn die Deutsche Glasfaser alles so weit installiert hat, dass sie ihren giga-1000-Tarif liefern kann. „Dann werde ich für zehnmal mehr Leistung knapp 50 Euro mehr pro Monat zahlen“, rechnet er vor. Würde er sich für basic 300 entscheiden, sähe das Verhältnis so aus: Die Deutsche Glasfaser liefert dreifache Leistung für eine vergleichbare Monatsgebühr. Ich werde für zehnmal mehr Leistung knapp das Doppelte pro Monat zahlen. Andreas Höhn , EDV-Systemberater Wie kann ein Emporkömmling wie die Deutsche Glasfaser so viel mehr Power in die Leitungen bringen als der Platzhirsch Deutsche Telekom? Die Telekom hat ein Glasfasernetz über Deutschland gelegt, „Backbone“ genannt. Die superdünnen Glasfasern, durch die die Daten per Lichtübertragung flitzen, reichen jedoch nur bis zu lokalen Verteilerkästen, „Verzweiger“ genannt. Die restliche Strecke in die Haushalte („letzte Meile“) sichern Kupferkabel. Das Kupfer macht die Leitungen störanfällig, noch wichtiger: Mehr als 100 Megabit flutschen in der Regel nicht durch, in Ausnahmefällen schafft die Telekom in Schaumburg 250 Megabit. Turbo-Internet für die Samtgemeinde Nienstädt? So sollen die Nenndorfer zu rasend schnellem Internet kommen 9000 weitere Haushalte in Schaumburg haben jetzt schnelles Internet Die Deutsche Glasfaser baut ein eigenes Glasfaser-Netz auf. Die entscheidenden vier Buchstaben lauten FTTH, was auf Englisch „Fiber To The Home“ heißt und auf gut Deutsch bedeutet: Die superschnelle Leitung reicht bis ins Haus. Kein Kupfer bremst kurz vor der Haustür. Skeptiker: Auftritt der DG schürt Misstrauen: Matthias Tempel betreibt in Nienstädt die Druckerei Vehling. Auch er hat Besuch vom DG-Werbetrupp bekommen. „Mir hat deren Auftreten nicht gefallen“, sagt Tempel, „ich unterschreibe nicht einfach irgendwas.“ Er sei „selbst schuld, wenn er den Ferrari nicht annimmt“ (gemeint: schnelles Internet), bekam er daraufhin zu hören. Telekom-Kunde Tempel neigt nicht dazu, leichtfüßig zu einem Anbieter zu wechseln, den kaum jemand kennt. Außerdem, so Tempel: „Ich komme mit 50 Megabit gut zurecht.“ Als Starrsinn will er seine Haltung aber nicht verstanden wissen. „Ich bin natürlich nicht gegen superschnelle Glasfaser“, sagt er, „ich bin bloß bei der DG etwas skeptisch.“ Ich bin nicht gegen superschnelle Glasfaser, ich bin bloß bei der DG etwas skeptisch. Matthias Tempel , Druckerei-Betreiber „Der digitale Fortschritt kommt so schnell – mag sein, dass Virtuelle Realität und Künstliche Intelligenz bald 1000 Megabit erfordern“, begründet EDV-Berater Andreas Höhn sein Ja zum Gigabit der deutschen Glasfaser. Er hofft, dass die DG Erfolg hat: „Wenn das nicht klappt, werden wir auf dem platten Land sehr, sehr lange keine schnelle Glasfaser bekommen – vielleicht nie.“ Zu 40 Prozent der Haushalte ist es noch ein langer Weg: Die Deutsche Glasfaser hat durchgerechnet, ab wann sich ein Engagement lohnt. Ergebnis: Man braucht 40 Prozent der anschlussfähigen Haushalte. In der Samtgemeinde Nienstädt, in der die DG gerade erst losgelegt hat, muss diese Marke bis zum 3. Oktober geknackt sein – sonst zieht sich das Unternehmen zurück. Am Mittwoch lagen Helpsen bei vier und Nienstädt bei drei sowie Seggebruch und Hespe bei zwei Prozent. Am Werdegang der Deutschen Telekom kann man die stürmische Entwicklung ablesen, die die Telekommunikation in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen hat. 1995 aus den Trümmern der privatisierten Bundespost als Aktiengesellschaft geschmiedet, war der Bund zunächst alleiniger Aktionär. Heute hält er noch 14 Prozent, die staatliche Förderbank KfW 17 Prozent, der Rest der Anteile ist weit verstreut. Die Deutsche Glasfaser mit Sitz im münsterländischen Borken ist dagegen eine GmbH. Sie konzentriert sich beim Ausbau auf das Umland größerer Städte wie Hannover, weil es hier Angebote von der Art, die die DG macht, noch nicht gibt. Das macht die Deutsche Glasfaser zur derzeit interessantesten Gegenspielerin der Deutschen Telekom. Die DG ist eine junge Firma, nicht mal zehn Jahre alt. Gegründet hat sie die niederländische Investmentfirma Reggeborgh, eine Spezialistin für Glasfasertechnik. 2015 übernahm der US-Investor Kohlberg, Kravis, Roberts & Co. die Mehrheit, Reggeborgh blieb im Boot. Vor wenigen Wochen erlaubte das Bundeskartellamt, dass der schwedische Finanzinvestor EQT die Deutsche Glasfaser übernimmt. Gleichzeitig schluckt die DG die inexio. Wenn die Fusion klappt, steigt die DG zum drittgrößten Glasfaseranbieter in Deutschland auf, hinter Telekom und Vodafone. Nach eigenen Angaben hat die Deutsche Glasfaser bislang 400 Kommunen beliefert und dabei insgesamt 600 000 Haushalte oder Unternehmen in das lichtschnelle Netz geholt. Das Unternehmen behauptet, sieben Milliarden Euro für Investitionen eingesammelt zu haben. Auch aus ihrem Ziel macht die DG kein Geschäftsgeheimnis: Sechs Millionen Verträge will man in Deutschland zeichnen. ab von Arne Boecker