Ärztemangel auf dem Land: Obernkirchen ist gut aufgestellt

Wer wird denn noch Landarzt? Diese Frage dürfte unter Medizin-Studenten häufiger gestellt werden. Dabei hört man immer wieder, dass der Versorgungsgrad an Arztpraxen im ländlichen Raum zu niedrig sei. Der Bedarf ist also da. Doch: Zu viel Arbeit, zu wenig Flexibilität – so lauten zumindest die Kritikpunkte an der ärztlichen Arbeit auf dem Lande. Die Konsequenz? Alteingesessene Landärzte müssen ihre Praxis schließen, weil sie keinen Nachfolger finden. Doch nicht so in Obernkirchen: Die Allgemeinmediziner in der Bergstadt sehen die Versorgungslage auch künftig deutlich optimistischer – das hat mehrere Gründe. Gemeinschaftspraxen sehr beliebt: „Wir stehen in Obernkirchen gut da“, sagt etwa Allgemeinmedizinerin Henrike Wittum. Als Grund nennt sie exemplarisch ihre Gemeinschaftspraxis, die sie zusammen mit Thomas Eriksen betreibt: „Gemeinschaftspraxen bieten ein hohes Maß an Flexibilität, wir haben ja nie geschlossen“, berichtet Wittum. Die Ärzte könnten sich abwechseln, Urlaub nehmen und sich mit dem Partner abstimmen – so bleibe nicht alles an einem Arzt hängen. Auch sonst sei einiges anders im Vergleich zur Ein-Arzt-Praxis: „Bei uns hat kein Patient einen festen Arzt. Aber natürlich kann der Patient sagen, dass er beispielsweise nur von Thomas Eriksen behandelt werden will. Außerdem haben wir viel Büroarbeit an Mitarbeiter delegiert, das spart Arbeit“, erläutert Wittum, die seit 2016 in der Bergstadt praktiziert. Künftig wollen die beiden Ärzte noch mehr Platz haben, um mehr Patienten in größerem Umfang gerecht werden zu können. Dazu befindet sich aktuell das neue Ärztehaus an der Friedrich-Ebert-Straße in Bau (wir berichteten). Gemeinsam mit einer Apotheke, Mietwohnungen und einer Physiotherapie-Praxis ist dort noch mehr Platz für Patienten. Lesen Sie auch: Wird die Gemeinschaftspraxis in Krankenhagen ein Modell der Zukunft? Zukunftsmodell vorhanden: Etwa für die Patienten des 60-jährigen Dr. Jens Schneider, der in Krainhagen praktiziert – ganz klassisch, ohne Praxispartner. Seine Frau und Arbeitskollegin Manuela Schneider teilt mit, dass planmäßig in sieben Jahren Schluss sein soll. Einen Nachfolger schließe sie aus. Dieser sei aufgrund des guten Versorgungsgrades in der Bergstadt auch gar nicht nötig. Die rund 1200 Krainhäger Patienten könnten von anderen (Gemeinschafts-)Praxen wie der von Wittum und Eriksen aufgenommen werden. Außer Henrike Wittum kämen auch Dr. Timo Krüger und Lorenz Feuerbach infrage. Es lässt sich erahnen: Beide betreiben eine Gemeinschaftspraxis und planen ebenfalls einen Neubau am Edeka-Markt (wir berichteten). Gemeinschaftspraxen sind in Obernkirchen also vorhanden, Wittum bezeichnet sie als „Zukunftsmodell.“ Das sieht auch Julian Elgeti, Geschäftsführer der Bezirksstelle Hannover der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN), so: „Einfach den Status quo zu erhalten, wird künftig nicht reichen. Versorgungszentren oder Ärztehäuser stellen eine Möglichkeit dar. Die KVN unterstützt derartige Aktivitäten.“, schreibt er in einer Mitteilung. Viele junge Ärzte: Doch Gemeinschaftspraxen und (künftige) Ärztehäuser sind nicht die einzigen Gründe für die guten Zukunftsperspektiven in der Bergstadt: „Wir haben viele noch recht junge Ärzte hier. Da sind die kommenden Jahre gesichert“, sagt Wittum. Das glaubt auch Manuela Schneider von der Krainhäger Praxis: „Eine Praxis, wie mein Mann sie betreibt, ist ganz sicher ein Auslaufmodell.“ Es müsse sich also kein Patient sorgen: „Die Patienten sind abgesichert, jeder wird versorgt.“ Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewünscht: Die Versorgung in Obernkirchen scheint also auf Jahre gesichert – doch das ist nicht überall so. Laut der KVN gibt es genügend Kommunen, in denen akuter Ärztemangel herrscht. Und das hänge nicht mit fehlenden Ärztehäusern oder Gemeinschaftspraxen zusammen – dort fehle es schlichtweg an medizinischem Nachwuchs. Julian Elgeti liefert Erklärungsansätze: „Der Altersdurchschnitt der Hausärzte in Niedersachsen ist mit 54,4 Jahren sehr hoch. Voraussichtlich werden in den kommenden 15 Jahren rund ein Drittel der rund 5800 Hausärzte aus dem Berufsleben ausscheiden. Bei der nachrückenden Ärztegeneration steht auf Platz eins der Wünsche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ 63 Prozent der Studienanfänger im Fach seien Frauen. Es gebe aber aktuell kaum Gründe, sich als „Einzelkämpferin in einer Ein-Frau-Praxis auf dem Land niederzulassen“, so Elgeti. Daher ließen sich viele jungen Ärztinnen anstellen – und das sei in der Stadt mit ihrem breiteren Stellenangebot einfacher. Dennoch: Ein Ärztemangel ist in Obernkirchen nicht absehbar. Die Praxen sind jung und ausreichen besetzt. Lesen Sie auch: Gibt es wirklich genug Hausärzte in Schaumburg? von Malick Volkmann