Jahresausklang in der St. Nicolai Kirche mit Bachs Weihnachtsoratorium

„Wo ist der neugeborene König der Juden?“, wollen die Weisen aus dem Morgenland wissen. Herodes, amtierender König von Roms Gnaden ohne eindeutige Abkunft, zeigt sich ebenfalls sehr interessiert an jenem Kinde. Die Motive könnten kaum unterschiedlicher sein, die Handlung wird hochdramatisch, auch wenn die halbe Welt weiß, welchen Verlauf das Leben des mit dem Tode bedrohten Jesuskindes genommen hat laut Evangelium des Matthäus. Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach folgt der Legende. Nach den ersten drei Teilen im Vorjahr stand Daniela Brinkmann als Dirigentin mit ihrem Schaumburger Oratorienchor und dem Barockensemble L‘Arco aus Hannover vor der Aufgabe, ohne Vorspann oder Ansprache in die verwirrende Gefühlswelt der Weihnachtsgeschichte einzutauchen. Diese Liebe ist zu groß, um erklärt zu werden. „Fallt mit Danken, fallt mit Loben vor des Höchsten Gnadenthron!“, mahnt der im Glauben bereits gefestigte Chor. In einem Oratorium geht niemand auf die Knie nah am Altar, selbst das Mienenspiel bleibt beherrscht, wenn die Solisten Johannes Schwarz (Bass) und Meike Leluschko (Sopran) ihre unbändige Liebe zu Jesus Wort werden lassen. „Ich will dich mit Lust umfassen“, weist weit über die Stallszene hinaus. Diese Liebe ist zu groß, zu überwältigend, um erklärt zu werden. Tenor Steffen Kruse hat die nicht ganz einfache Aufgabe, über den Gang der Handlung zu informieren, ohne so tief und intensiv in die aufgebrochene Gefühlswelt hineingezogen zu werden wie etwa Sofia Pavone (Alt). Etwas vom Bilde der Maria liegt in ihrem Auftritt, inbrünstig ihre Arien, getragen vom fein austarierten Klang der Streicher und Bläser. Bachs Sechsteiler wird erstmals 1734/35 in Leipzig aufgeführt: Als Bachs Sechsteiler zur Jahreswende 1734/35 an sechs Sonntagen in Leipzig zum Gottesdienst wurde, konnte schon auf eine lange wechselvolle Geschichte des Christentums zurückgeblickt werden, ausgehend von biblischen Prophezeiungen und himmlischen Zeichen. In der Figur des Heuchlers Herodes liegt eine der Gefährdungen für den Friedenstifter. Im Gottvertrauen der hell, klar und erst am Ende schön ungestüm singenden Schar liegt die Stärke der um Frieden, Versöhnung und Liebe Ringenden. Zum Weiterlesen: Klanggewaltige Brass Musik zu Weihnachten in der St.-Martini-Kirche Die drei Weisen meiden den fürchterlichen König, den Schwarz, ein Fels an Stimmgewalt in der musikalischen Springflut jener Sternennacht, nur zitiert, nicht als Kindsmörder per Dekret vorführt. Ein Traum habe ihnen Klarheit gebracht, auf dass aus Freud‘ nicht Leid werde, sondern die Frohe Botschaft schlechthin. Der Schlusschoral lässt den Oratorienchor erstrahlen im Zusammenspiel mit Pauken und Trompeten und all den sicher beherrschten Streichinstrumenten. Glaubensgewissheit verbreitet sich in St. Nicolai, innere Festigkeit wird dankbar bezeugt, gefeit gegen sündhafte Anfechtungen von der Kraft einer Naturgewalt: „Tod, Teufel, Sünd‘ und Hölle sind ganz und gar geschwächt.“ Der Applaus ist gut gemeint, aber nicht immer gut platziert: Der überschwängliche Applaus galt allen Akteuren. Die gut besuchte Veranstaltung wäre ein noch hellerer Glanzpunkt am Ende des Rintelner Kulturjahres gewesen, wenn alle Gäste bedacht hätten: Beifall hat mitten im Oratorium, diesem Musik gewordenen Gebet und Bekenntnis, aus guten Gründen immer noch keinen Platz. Mit Blumen wurden die Solisten belohnt, zu denen sich Mareike Deppermann als Ersatzecho gesellte. Aufs Ganze betrachtet: Ein Meisterstück, behutsam dirigiert, beherzt ausgeführt. von Volkmar Heuer-Strathmann Lesen Sie auch: Vor einigen Jahren gab es ein Oratorium für Kinder

Beherztes Konzert - Jahresausklang in der St. Nicolai Kirche mit Bachs Weihnachtsoratorium