Weserbergland: Region eignet sich besonders gut für Steinbrüche

Was die Landschaft des Weserberglandes prägt, das sind nicht nur Wälder, Hügel und der namensgebende Fluss – auffällig sind auch die Krater und Kiesgruben, die der jahrzehntelange Gesteinsabbau hinterlassen hat. Doch woran liegt es eigentlich, dass in der Region so viele „Löcher“ in die Landschaft gegraben wurden – und was wird da eigentlich herausgeholt? Wirtschaftlich interessant sind im Wesentlichen zwei Sorten Gestein, die sich im Untergrund des Weserberglandes verbergen: Im südlichen Wesertal dominieren Kies und Kiessand, in den angrenzenden Mittelgebirgszügen insbesondere Kalk- und Dolomitgestein. So fasst es Eike Bruns, Pressesprecher des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie zusammen. „Mächtig und qualitativ hochwertig“ seien die Vorkommen der Kiese und Kiessande in der Region. Das betreffe das gesamte südliche Wesertal, „beginnend in NRW und dann nach Norden über die Landkreise Schaumburg, Hameln-Pyrmont und Holzminden und bis in den Landkreise Nienburg hinein.“ Abbau in der Region deutlich zu erkennen: Die wirtschaftlich interessanten Abbaugebiete reichen also noch über das Weserbergland hinaus. Dennoch entsteht der Eindruck, wie auch Bruns bestätigt, dass in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Schaumburg besonders viel abgebaut wird. Das liege aber zum einen daran, dass das Wesertal in diesen Landkreisen besonders schmal sei und sich der Ablagerungs- und damit Abbauraum des Kieses auf eine recht begrenzte Fläche konzentriere. Diese sei zusätzlich noch dicht besiedelt, sodass verschiedene Formen der „Raumnutzung“ miteinander konkurrieren würden – wodurch der Abbau natürlich besonders auffällt. Als Beispiel nennt Bruns den Bereich Tündern, wo durch den Kiesabbau mehrere Baggerseen entstanden sind. Auch im Bereich Fischbeck / Hessisch Oldendorf und rund um Rinteln befinden sich solche Gewässer. In der Auenlandschaft Hohenrode hat sich in den vergangenen Jahren aus den einstigen Gruben ein weitläufiges Naturschutzgebiet entwickelt. Verstärkt wird der Eindruck einer intensiven Bergbautätigkeit noch dadurch, dass zusätzlich zu den Kiesen und Sanden des Wesertals auch noch Kalk- und Dolomitgestein in den benachbarten Mittelgebirgszügen abgebaut wurde – also eine doppelte Belastung entstand. Die Steinbrüche an Süntel, Deister, Ith und Wesergebirge sowie am Messingberg sind als Wunden in der Landschaft deutlich stärker erkennbar als die teilweise idyllischen Baggerseen und führen daher auch häufiger zu Kontroversen, wenn es beispielsweise um Erweiterungen oder Nachnutzungen geht. Ursache liegt weit in der Vergangenheit: Die Ursache für die heutigen Debatten – also der Grund für das Vorkommen der begehrten Baustoffe – liegt weit in der Vergangenheit, wie Bruns erläutert. Während der letzten Eiszeit lag das Weserbergland am äußersten südlichen Randbereich der aus dem Norden vorstoßenden Inlandvereisungen. Die kilometerdicken Eismassen und später das Schmelzwasser sind durch das heutige Wesertal hindurchgeflossen und haben aus dem Norden Gesteinsmassen mittransportiert, die zu immer feineren Kiesen und Sanden zermahlen wurden. Gleichzeitig wurden im Wesertal aus Süden ebenfalls Flusssande und Flusskies herantransportiert. Durch die abnehmende Fließgeschwindigkeit der Weser wurden die Kiese und Sande nach Korngröße „sortiert“ und im Wesertal angehäuft. Im Süden Niedersachsens bildeten sich so Schichten von mehreren Dutzend Metern Durchmesser des eher grobkörnigen Materials. In den letzten Jahren wurden davon allein im Landkreis Schaumburg jährlich etwa 1 bis 2 Millionen Tonnen abgebaut, im benachbarten Landkreis Hameln-Pyrmont etwa die Hälfte, heißt es vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. Schon 0,5 Millionen Tonnen Sand und Kies entsprechen etwa 12 500 Lkw-Ladungen. Chancen entstehen durch Abbau: Das ebenfalls im Weserbergland abgebaute Kalk- und Dolomitgestein entstand vor etwa 240 Millionen Jahren auf eine andere Weise: Zu dieser Zeit war der Süden Niedersachsens von Meerwasser überflutet. In den flacheren Bereichen lagerten sich Muschelschalen und andere kalkhaltige Fossilien ab, aus denen unter anderem das Kalkgestein entstand, erklärt Bruns. Bei der Gesteinsbildung vom anfangs stark wasserhaltigen Lockergestein zum heutigen Festgestein nahm der Wassergehalt des Materials stark ab, und es bildeten sich unter anderem Dolomit, Gips und Steinsalz gebildet. Während sich die „hochwertigen Kiese aus der Weser“ nicht nur für die Trag- und Frostschutzschichten im Straßenbau, sondern auch für die Herstellung von Beton – und damit für den Hochbau – eignen würden, komme der in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Schaumburg gewonnene Jura-Kalkstein überwiegend als Schotter zum Einsatz, erklärt Bruns. Im Gegensatz zum Kiesabbau sei der Abbau von Kalk- und Dolomitgestein in Hameln-Pyrmont im Jahr 2018 eingestellt worden. Im Landkreis Schaumburg gibt es derzeit noch Abbau, beispielsweise im Bereich Steinbergen. Das könnte sich jedoch zumindest in Hameln-Pyrmont bald wieder ändern: Das Unternehmen Rheinkalk beabsichtigt nämlich, den Steinbruch am Thüster Berg wieder zu betreiben, wogegen sich von verschiedener Stelle Widerstand regt. Nicht weniger konfliktträchtig verliefen die Debatten um eine Erweiterung des Steinbruchs Segelhorst sowie die geplante Umnutzung des Steinbruchs am Ith zu einer Schadstoff-Deponie. Doch die tiefen Wunden, die die Bagger in die Landschaften gerissen haben, bieten auch Chancen: Zahlreiche ehemalige Kiesgruben haben sich zu Freizeitrevieren entwickelt, von denen unter anderem Angler und Badegäste profitieren. Beispiele hierfür sind der Doktorsee in Rinteln und der Stemmer See in Varenholz im benachbarten Nordrhein-Westfalen. In den ehemaligen Steinbrüchen können darüber hinaus wertvolle Ökosysteme entstehen, die seltenen Tieren wie den Gelbbauchunken als Lebensraum dienen. von Jens Spickermann und Jessica Rodenbeck Lesen Sie auch: Experten besichtigten die Steinbrüche