Auhagen geht voran: Kalte Wärme für 25 Häuser

Die neue Heiztechnik verspricht in Sachen Klimaschutz einiges: Heiko Monden, Bürgermeister von Auhagen, kann das seit einiger Zeit ganz gut erklären. Die Gemeinde plant ein Baugebiet, in dem die Häuser unter Einsatz einer neuen Technik beheizt werden. „So vermeiden wir, dass pro Jahr 80 Tonnen Kohlendioxid, also CO2, in die Luft geblasen werden.“ Um über 50 Jahre den gleichen Effekt zu erzielen, müsste man 322.000 Buchen pflanzen, konkretisiert er. Das Auhäger Baugebiet trägt den Namen Dühlholzkämpe-Süd: Das klingt erst mal nicht nach Zukunft. Und dennoch dürfte das Areal in diesem Jahr den Baubeginn für ein ehrgeiziges Projekt sehen: Kalte Wärme soll die Wohnungen in den 25 bis 30 Häusern aufwärmen, die auf 25 000 Quadratmetern in die Höhe wachsen. Das neuartige Projekt liegt in den Händen von LeineNetz, einer Tochter der Stadtwerke Garbsen und Neustadt am Rübenberge. Dühlholzkämpe-Süd ist das erste Baugebiet im Landkreis Schaumburg, das auf Kalte Wärme setzt – und erst das zweite in Niedersachsen. „Kalte Nahwärme“ könnte kommen Kalte Wärme, ist das nicht ein Paradoxon? Sprachlich ist es das in der Tat, dahinter steckt dies: Die Ausgangs-Temperatur des aufbereiteten Wassers, das Wärme in die Wohnungen einschleppt, liegt erheblich niedriger als bei gängigen Nahwärmenetzen. Die brauchen einen „Vorlauf“ von 70 Grad, weil ein großer Teil der Wärme beim Transport verloren geht. Kalte Wärme hingegen kommt mit 8 bis 12 Grad aus, die das Erdreich liefert. Kollektoren, die etwa drei Meter in die Erde eingegraben werden, nehmen diese Wärme auf und leiten sie weiter in die Häuser. Gefüllt sind die Kollektoren mit Sole, genauer: mit einem Wasser-Glykol-Gemisch. In den Häusern erzeugen Pumpen die Temperatur, die die Bewohner brauchen. Für Projekte, die Kalte Wärme nutzen, bekommen Anbieter Zuschüsse vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BafA), das im hessischen Eschborn sitzt. „Wärmenetzsysteme 4.0“ lautet der Fachbegriff. Bis zu 50 Prozent der förderfähigen Investition übernimmt der Bund, maximal 15 Millionen Euro liegen pro Vorhaben im Topf. Die Fördergrenze verläuft an den Hauswänden. Was innendrin passiert, wird nicht bezuschusst. So ist das nun mal, wenn man ein Baugebiet haben möchte, das ein wenig aus dem Rahmen fällt. Heiko Monden , Bürgermeister in Auhagen Die Preise, die die Kunden später für die Wärme zahlen müssen, bewegen sich nach Auskunft von Auhagens Bürgermeister Heiko Monden auf dem Niveau anderer Anbieter. 25 Grundstücke sollen das Baugebiet Dühlholzkämpe-Süd ausfüllen, das direkt an Sachsenhagen (Mozartring, Mühlenweg) grenzt. 17 Grundstücke gehören der Gemeinde Auhagen, acht der Klosterkammer Hannover. Mitte Dezember gab der Rat den Startschuss für das Projekt, dessen Planung sich bis dahin gezogen hatte. „So ist das nun mal, wenn man ein Baugebiet haben möchte, das ein wenig aus dem Rahmen fällt“, sagt Monden, den die Papierkriege aber doch ein bisschen ärgern. „Alle rufen Klimaschutz, Klimaschutz, Klimaschutz“, schiebt er hinterher, „aber dann werden einem doch viele, viele Steine in den Weg gelegt.“ Ausgangspunkt aller Überlegungen der Politik war, dass Auhagen mit seinen Wäldern und der Aue, die durch den Ort fließt, mitten im Grünen liegt. Schon vor drei Jahren wandte man sich an die Klimaschutzagentur Weserbergland, an der auch der Landkreis beteiligt ist. Die Fachleute skizzierten verschiedene Modelle. Den Zuschlag bekam die Kalte Wärme. Alle Bauplätze reserviert: Beraten ließ sich die Gemeinde bei den komplizierten und aufwendigen Vorarbeiten von Tobias Timm, der in Hameln zur Geschäftsführung der target GmbH gehört. „Wir werden Klimaschutz nur schaffen, wenn wir innovative Konzepte nutzen“, lobt er die Start-Up-Mentalität der Auhäger, „das darf durchaus auf andere Regionen abstrahlen.“ Der Stadthäger Energie-Experte Jörg Janning (siehe Kasten) ergänzt: „Im ländlichen Raum können Projekte umgesetzt werden, für die in Städten wie Hannover kein Platz ist.“ Die Anlagen baut die Stadtwerke-Tochter LeineNetz. Die Lieferverträge werden die Auhäger Hausbesitzer später mit den Stadtwerken Neustadt abschließen. In Neustadt hat LeineNetz Niedersachsens erstes Kalte-Wärme-Quartier errichtet. Wer in Auhagen baut, muss sich auf diese Variante einlassen. Bange scheint das niemanden zu machen. „Alle Bauplätze sind reserviert“, sagt Monden, „und wir führen eine Warteliste.“ Um herauszufinden, ob Kalte Wärme in Auhagen funktionieren kann, hatte LeineNetz die Bodenschichten unter Dühlholzkämpe-Süd beproben und ihre Temperatur messen lassen; auch der Grundwasserspiegel wurde beäugt. Am Ende stand die Feststellung der Firma: „Die Bodenverhältnisse eignen sich für das Kalte-Wärme-Projekt.“ In der ersten Hälfte dieses Jahres wollen die Auhäger die Erschließung des Geländes schaffen. Zuletzt hatten sie den Zuschnitt des Areals noch ein wenig nachbessern müssen, weil LeineNetz ausgerechnet hatte, dass man 500 zusätzliche Quadratmeter für die Kollektoren braucht. In der zweiten Hälfte könnte mit dem Bau begonnen werden – so weit der Plan. von Arne Boecker Jörn Janning hat als Referatsleiter im Umweltministerium gearbeitet, zunächst in der Abteilung für Atomenergie, danach in der für Wasser. Heute engagiert sich Janning im Verein BürgerEnergieWende Schaumburg. In dieser Funktion treibt der Stadthäger die Idee voran, eine Photovoltaikanlage auf die Bergehalde am Georgschacht zu setzen. Im Interview berichtet der 77-Jährige, was er vom Auhagen-Projekt hält. Erachten Sie das Auhäger Kalte-Wärme-Projekt für sinnvoll, Herr Janning? Oja, das ist es sicher. Das sollten Sie erklären. Grundsätzlich ist es vernünftig, Wärme – überhaupt Energie– dort zu gewinnen, wo sie benötigt wird. Dies ist einer der Pfeiler der Energiewende. Warum ist das so vernünftig? Weil der Transport von Energie über weite Strecken immer Verluste bedeutet. Das macht die Angelegenheit teuer. Die Gemeinde Auhagen hat das Projekt in Zusammenarbeit mit der Klimaschutzagentur ausgetüftelt. Warum hilft Kalte Wärme, das Klima zu schützen? Das Fachausdruck für diesen Effekt lautet „Dekarbonisierung“. Übersetzt meint dies: In Auhagen wird Wärme erzeugt, ohne dass dabei CO2 anfällt. Um klimaschonend zu funktionieren, muss allerdings eine Bedingung erfüllt sein. Die wäre? Die Pumpen, die die Wärme nach oben holen, verbrauchen Strom. Dieser Strom muss „grün“ sein. In Auhagen beherzigen sie dies. Wenn es gelänge, den Strom auch noch direkt vor Ort zu erzeugen, wäre es natürlich perfekt. Umweltfreundliche Produktion ruft oft Proteste hervor, Beispiel: Windräder. Das wird in Auhagen nicht passieren, weil man von der unterirdischen Kalte-Wärme-Gewinnung nichts sieht. Die Betreiber brauchen dazu zwar viel Fläche, aber die ist in Auhagen vorhanden. Der hohe Bedarf an Grund und Boden ist allerdings eines der grundsätzlichen Probleme des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Was bedeutet das? Windparks und Photovoltaikanlagen brauchen viel Platz. Auch der Anbau von Mais – für Biogas – benötigt Fläche. Schnell entstehen Interessenkonflikte mit Landwirten, Baugebiets-Planern oder Naturschützern. Ist Dühlholzkämpe-Süd ein Sonderfall? Nein, das muss kein Sonderfall bleiben. Wer den Blick weitet, könnte sogar behaupten, dass in derart klimaschonenden Projekten große, auch wirtschaftliche Chancen für Gemeinden stecken. Interview: Arne Boecker