Beistand in dunklen Stunden: Opferhilfe gibt Sicherheit bei Prozessen

Vergewaltigungen, Schläge, Eifersuchtsdramen: Häusliche Gewalt ist auch in Stadthagen allgegenwärtig. Viele Taten laufen hinter verschlossenen Türen ab, aber manche Opfer schaffen es, über das Geschehen zu sprechen, den Täter anzuzeigen und sich Hilfe von außen zu holen. Kommt es zu einem Prozess, wie in dem Fall gegen einen 25-jährigen Stadthäger im vergangenen August, der seine Lebensgefährtin vergewaltigt und körperlich misshandelt hat (wir berichteten), gibt es die Möglichkeit, sich Unterstützung zu holen. Die Opferhilfe Bückeburg ist genau darauf spezialisiert, Geschädigte auch vor Gericht zu unterstützen. Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung: „Seit 2017 gibt es einen Anspruch auf eine psychosoziale Prozessbegleitung“, berichtet Mitarbeiterin Juliane Frank. Sie kümmert sich um Opfer schwerer Straftaten, die ihre Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen könnten. Aus ihrer Erfahrung wisse sie, dass allein das Erstatten einer Anzeige viel Mut bedürfe. Das Geschehene schildern, intime Fragen beantworten, die Tat innerlich noch einmal durchleben – es sind diese Aspekte, auf die Opfer vorbereitet werden müssen. Meistens weibliche Opfer: Diese Unterstützung helfe den Frauen – meistens sind es weibliche Opfer – wirklich weiter, denn Juristen, Gerichten und Anklageschriften seien für die meisten eine „völlig fremde Materie“. Darüber hinaus hätten die Betroffenen lange mit den Tatfolgen zu kämpfen. „Wir können den Menschen im Gericht und auch davor Sicherheit vermitteln und ihnen Kontrolle zurückgeben“, betont Frank. Sie mache die Klienten auf ihre Rechte aufmerksam, unterstütze, wenn es gewünscht ist, bei der Suche nach einem Anwalt und sei auch bei den Gesprächen häufig dabei. „Es ist sehr wichtig, dass die Betroffenen mit den sachlichen Informationen ausgestattet sind.“ Das gebe Sicherheit. Zu wissen, welche Rechte die Opfer haben, sei unerlässlich. Auf die Atmosphäre vorbereiten: Frank besuche schon im Vorfeld der Verhandlungen mit den Betroffenen das Gericht. So könnten sie sich auf die Atmosphäre einlassen und besser einschätzen, was auf sie zukommt. Die Mitarbeiterinnen der Organisation böten indes in schwierigen Situationen auch eine Schulter zum Anlehnen. „Kaffee, Tee oder Taschentücher sind meist griffbereit“, sagt die ausgebildete Pädagogin. Die Klienten sollen zu jedem Zeitpunkt spüren: „Du bist nicht allein und es besteht kein Grund, sich für irgendetwas zu schämen.“ Aus der Gefahrensituation heraus holen: Wichtig ist Frank auch, dass sie den Menschen früh deutlich mache, dass sie und ihre Mitarbeiter, die alle einen pädagogischen Hintergrund haben, niemals auf eine Anzeige drängen. An erster Stelle stehe, die Frauen aus Gefahrensituationen herauszuholen. Frank arbeitet seit über sechs Jahren für die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen und hat schon viele Klienten betreut. Sie ist froh, dass in Schaumburg mit BISS, dem Mädchen- und Frauenberatungszentrum Basta, aber auch der Polizei und der Justiz ein gut funktionierendes Netzwerk bestehe. Im vergangenen Jahr haben 107 Personen Unterstützung im Opferhilfebüro gesucht. Ein minimaler Rückgang zum Vorjahr (110). Dazu kamen 2020 auch noch weiter zu beratene „Altfälle“: insgesamt 171. Das zeige, wie lange viele Fälle akut seien. Davon waren 86 Personen weiblich, 20 Personen männlich und eine gender Person. Frank berichtet außerdem, dass 24 Fälle in die Kategorie häusliche Gewalt fallen, hier waren drei Männer betroffen. Insgesamt sei in 21 Fällen eine Prozessbegleitung erforderlich gewesen, vier davon im Bereich dieser Straftat. „Die Ermittlungsverfahren dauern teilweise sehr lange und enden nicht immer mit einer Hauptverhandlung.“ Die Opferhilfe kümmert sich auch um finanzielle Unterstützungen. 2019 haben die Hälfte jedoch keine finanzielle Hilfe benötigt. Therapie- und Anwaltskosten sowie Geld für Wohnungseinrichtungen und Mietkautionen gehören zu den größten Posten, die nach einer häuslichen Trennung auf die Opfer zukommen. Erlebnisse aufarbeiten: Das primäre Bedürfnis beim Aufsuchen des Bückeburger Vereins bestehe darin, die soziale und psychische Belastung aus den meist gewalttätigen Erlebnissen im Beratungsgespräch aufzuarbeiten. „Annehmen, zuhören, beraten, begleiten sowie die Weitervermittlung an adäquate Beratungs- und Therapieangebote ist ein wichtiger Teil der Arbeit“, erläutert Frank. Es komme allerdings auch vor, dass Opfer ihre Anzeige wieder zurücknehmen. Aus der Begleitungsarbeit weiß die Pädagogin, dass gerade im Bereich der häuslichen Gewalt, die Angst der größte Motivator sei, die Anzeige wieder zurückzuziehen. Auch die Sorge davor, mit allem alleine zu sein oder vor negativen wirtschaftlichen sowie sozialen Folgen seien Gründe für einen Rückzieher. Besonders wenn der Täter gesellschaftlich hoch angesehen ist, sei die Angst da, dass „dem Opfer nicht geglaubt wird“. Viele Betroffene scheuten sich zudem, das Erlebte in einem Strafverfahren erzählen zu müssen. „Wir versuchen, mit unserer Arbeit die Ängste zu nehmen oder zumindest abzumildern.“ von Jennifer Minke-Beil