Haarige Situation: So kommen Stadthäger ohne Friseur zurecht

Der Haarschnitt verliert die Fasson, und so mancher Bürger beim Blick in den Spiegel langsam die Fassung. Es gilt, sich mit dem Fakt der geschlossenen Friseurläden im Lockdown zu arrangieren. Wie das gelingt und wie sie sich fühlen, erzählen Stadthäger Marktbesucher. Jörg Lehnert lebt entspannt, was die Frisur betrifft – und nicht nur, weil er stets mit schickem Hut unterwegs ist. Seit der Sozialarbeiter vor ein paar Jahren beschlossen hatte, seine Haare wachsen zu lassen, und einen Pferdeschwanz trägt, hat sich für den 60-Jährigen das Thema Friseur erledigt – nicht nur im Corona-Lockdown. „Ich schneide die Haare selbst“, sagt der Stadthäger. Und was braucht er dafür? „Eine Friseurschere, gute Augen, Bürste und Kamm.“ Selbst ist der Mann. Hilfen für Friseure im Lockdown bleiben aus - Hoffen auf baldige Öffnung Bückeburger Friseurmeister: "Viele werden in die Insolvenz rutschen" Zum mutigen Heim-Figaro werden aber vornehmlich Männer mit Kurzhaarfrisur. Die Zeiten, wo Müller und Netzer mit wehendem Schopf Tore schossen, sind eh der Ära des Fade-Haircut eines Marco Reus gewichen. Ob aktiver oder passiver Fußballer: Männer greifen zur elektrischen Haarschneidemaschine, die die Haare fix auf die gewünschte Länge trimmt. „Acht Millimeter einstellen, los geht’s – und fertig ist der Corona-Igelschnitt“, beschreibt Sabine Garbe das eingeübte Tun eines Bekannten. Die handlichen Schneidegeräte – auch batteriebetrieben zu haben – waren im ersten Lockdown ein Renner im Stadthäger Elektronik-Fachmarkt an der Jahnstraße. „Und auch jetzt ist die Maschine gefragt“, sagt Expert-Mitarbeiterin Diane Cielke. Sabine Garbe trägt ebenfalls einen Kurzhaarschnitt, aber für sie kommt das Gerät nicht infrage. Die Stadthägerin ist erst einmal froh, dass sie noch kurz vor dem Lockdown im Friseursessel saß. „Und was jetzt nicht stimmt, wird mit Gel und Föhn in Form gebracht“, erklärt die 55-Jährige. Dass die hellblonde Farbe ihrer Haare langsam rauswächst und der Zeitpunkt der nächsten Färbeprozedur ungewiss ist, sieht Garbe von der positiven Seite: „Es ist die beste Gelegenheit, die Haare gesunden zu lassen.“ „Langsam kommt der Ansatz durch. Aber noch geht es“, beschreibt auch Beate Jäger die Problematik ihrer künstlich erzeugten Haarfarbe. Dass die Haare länger werden, will die Wendthägerin nicht stoppen. Nein, die Schere werde sie nicht selbst in die Hand nehmen. Sollte es noch lange dauern, bis die Profis wieder Hand anlegen, ist bei Jäger „Pferdeschwanz angesagt.“ Auch SN-Fotograf Roger Grabowski wagt weder den Griff zur Schere noch zur Schneidemaschine. Um seinen dichten Lockenkopf, der langsam an Volumen zulegt, mag ihn eh so mancher Mann mit spärlichem Haupthaar beneiden. Trotzdem, zu viel des Guten ist oft nicht wünschenswert. Grabowski: „Ich hoffe, dass die Friseure so schnell wie möglich wieder aufmachen.“ Dass diese geschlossen haben, beeinträchtigt Dieter Esse kaum. „Über solche Sachen wollen wir uns nicht beschweren“, sagt der 75-Jährige, den die haarige Reporterfrage vor der Martini-Kirche trifft, in der er just die Rauchmelder kontrolliert hat. Angesichts der Gesundheitsgefährdung in der Pandemie, stellt Esse die Eitelkeit hintenan. Aber froh ist er doch, dass er vor Weihnachten noch beim Friseur war. Großen Wert auf ihr Aussehen legt Beate Gröne. Sie ist im Außendienst einer Krankenkasse tätig und nimmt die Herausforderung des Lockdowns an – ob mit oder ohne Friseur. „Ich style mich selber“, sagt die Nordsehlerin, die auf dem Marktplatz Besorgungen erledigt. Weil ihre Haare vorne zu lang geworden sind, werden sie derzeit mit einer Spange zurückgehalten. Falls dem Zurechtmachen der Haare irgendwann Grenzen gesetzt sind und die helfenden Hände des Fachpersonals zeitlich noch in weite Ferne rücken sollten – für diesen Fall hat Sabine Garbe einen Plan B: Die kaufmännische Angestellte hat sich drei Perücken bestellt. Kommen diese zu Corona-Zeiten nicht zum Einsatz, dann vielleicht im Karneval – im nächsten Jahr oder so. Von Vera Skamira