Impfungen, Einsamkeit und Co.: So geht es den Bewohnern von Altenheimen aktuell

Der Tag kann ganz schön lang werden. Da sind sich Ceslawa Ortmann (91), Rosemarie Mensching (84) und Thea Hartmann (86) einig. Die drei Frauen sind Bewohnerinnen des Josua-Stegmann-Heims. Auch sie spüren die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Schließlich gehören sie zur Hochrisikogruppe und müssen sich schützen, der Kontakt zur Außenwelt, ist nicht immer gegeben. Über Corona wird kaum gesprochen: Über das Virus sprechen die Bewohnerinnen deshalb auch gar nicht so gerne: „Wenn im Fernsehen etwas von Corona gesagt wird, schalte ich sofort um. Und zwar bis ich etwas gefunden hab, das von etwas anderem handelt“, sagt Thea Hartmann, die seit drei Jahren in dem Stadthäger Altenheim lebt. Am liebsten schaut sie sich Tiersendungen an, da bleibt sie beim „zappen“, wie sie das Umschalten der Programme nennt, immer hängen. Am meisten vermissen die Bewohnerinnen die regelmäßigen Aktivitäten: So fallen beispielsweise die Gymnastikgruppe, das Gedächtnistraining und das gemeinsame Singen seit Monaten aus. „Das ist wirklich nicht schön“, sagt Ortmann. Nun verbringe sie besonders viel Zeit mit Kreuzworträtseln und Sudoku, denn Knobeln und Denksport sind die absolute Passion der 91-Jährigen. „Ich vergesse Raum und Zeit, wenn ich meine Denksport-Spiele auf dem Tablet mache.“ Das Gerät habe ihr der Enkel eingerichtet. Lesen Sie auch: Dutzende Soldaten helfen in Altenheimen in Niedersachsen aus Erste Impfung erhalten: Rosemarie Mensching hat zwar auch ein Tablet, aber „das ist nicht so meins.“ Was sie auch alle vermissen, sind die regelmäßigen Termine beim Friseur. „Man sieht ja aus wie eine Vogelscheuche“, meint Mensching. „Man fühlt sich einfach nicht so wohl“, sagen auch Ortmann und Hartmann. Froh sind sie, dass sie die erste Impfung Anfang Februar schon erhalten haben. „Für mich war das gar keine Frage: Natürlich habe ich mich impfen lassen“, sagt Hartmann. Sie habe das auch schon immer gegen Grippe gemacht. So könne sie auch ihre Schwester sehen und Ortmann könnte vielleicht wieder ihre Tochter im Auetal besuchen. Familienbesuche – das wäre eine schöne Sache, finden sie. Die Vorteile einer Impfung sehen offenbar die meisten Bewohner des Heims, denn von den 120 Frauen und Männern haben sich 99 gegen Corona impfen lassen, bestätigt die Leitung der Einrichtung. Spaziergänge gehören immer dazu: Das Josua-Stegmann-Heim ist bisher glimpflich durch das Jahr mit dem Coronavirus gekommen. Aus diesem Grund haben auch die Bewohner ein gutes und sicheres Gefühl, sie zerbrechen sich nicht den Kopf: „So viel sprechen wir gar nicht über Corona.“ Das Virus sei zwar ein Thema und verbreite mitunter auch Angst im Heim. „Aber wenn man alt ist, denkt man nicht so viel darüber nach, was passieren kann“, sagt Ortmann. Sie mache sich einfach nicht mehr so viele Gedanken darüber wie die jungen Menschen. „Wir haben nicht mehr diese Alltagssorgen.“ Lesen Sie auch: Alten- und Pflegeheime am Limit: Josua-Stegmann-Heim in Stadthagen wegen Corona geschlossen Der Schnee halte die drei Frauen derzeit davon ab, die gewohnten Spaziergänge zu machen. Die fehlen. Mensching und Ortmann gehen immer zusammen. Sie kennen sich schon seit 68 Jahren, denn sie waren Jahrzehnte direkte Nachbarn. Nun haben sie sich im Pflegeheim wiedergetroffen. Alleine seien sie zu Hause nicht mehr zurechtgekommen. „So lange man alleine zu Hause klar kommt, ist das eine gute Sache“, findet Mensching. „Wenn man aber ständig Hilfe braucht, ist das sehr nervenaufreibend.“ Auch das Kochen für eine Person allein mache überhaupt keinen Spaß. Und über das Essen in dem Stadthäger Pflegeheim wollen die drei Frauen nichts Schlechtes sagen. Im Gegenteil: Das sei meistens wirklich gut. Nie alleine: Lange haben Mensching, Ortmann und Hartmann alleine gelebt, in großen Häusern mit Garten. Manchmal denken sie noch daran. „Gestern erst hatte ich einen Tiefpunkt und habe geweint.“ Hartmann habe mit einer Bekannten aus ihrem früheren Dorf gesprochen. Da kamen Erinnerungen hoch. Das Schöne am Leben im Heim sei jedoch, dass man nie allein ist. „Das war, als ich noch nicht hier war, anders“, meint Ortmann. Vor allem abends sei sie nach dem Tod ihres Mannes viel allein gewesen. Jetzt treffen sich Hartmann und Ortmann gerne nach dem Abendbrot, um Rummikub zu spielen. Früher ist Ortmann viel mit ihrem Mann gereist: Bis zum Nordkap, Mexiko und Madeira. Nachbarin Mensching dagegen reiste wenig: „Mein Mann hatte Brieftauben.“ „Und Du hattest die Arbeit“, wirft Ortmann schmunzelnd ein. „Das stimmt“, lächelt Mensching. Schön sei das trotzdem gewesen. Vor allem als sie eine Goldmedaille gewonnen haben. „Die habe ich immer noch. Hier auf meinem Zimmer.“ Auch wenn die drei Stadthägerinnen von Corona verschont geblieben sind und nun noch auf die zweite Impfung warten, hoffen sie, dass „bald wieder alles gut ist“. Dann werden die Tage im Sommer kürzer – zumindest gefühlt. von Jennifer Minke-Beil