Nein, das ist doch nicht wahr. Das ist doch nicht wirklich die Tafel mit der Nummer 21! Bloß nicht Jimmy Briand! Hat Michael Frontzeck das Spiel endgültig verloren gegeben, es bei Halbzeit schon ad acta gelegt? Hannover 96 lag zwar in Wolfsburg mit 0:2 hinten, war hoffnungslos unterlegen - aber Jimmy Briand? Muss das wirklich sein? So, oder so ähnlich, dürfte manch ein Fan der „Roten“ gedacht haben, als 96-Coach Frontzeck den Franzosen einwechselte.
Noch zu präsent waren Briands Auftritte in den vergangenen Wochen, als der 29-Jährige über den Platz gestolpert war und so viele spielerische Defizite offenbar hatte. Nun, 100 Sekunden nach der Einwechslung zur Pause, staunten alle seine Kritiker und wohl auch seine Befürworter - und nach dem Abpfiff waren sie sprachlos. Der Stürmer hatte sie alle überrascht. Nicht nur mit seinem schnellen Tor zum Anschluss, sondern auch mit seiner Spielweise als einzige Spitze: wie er sich anbot, wie er die Bälle behauptete, welche Übersicht er hatte.
Einer sah sich bestätigt: Frontzeck. „Ich habe mit Jimmy lange Gespräche geführt“, sagte der 96-Trainer, „da hat er mir erzählt, dass er in seiner Zeit in Frankreich des Öfteren alleinige Spitze gespielt hat. Hier musste er ja meistens auf der Außenbahn ran, darum war es für mich einen Versuch wert.“ Es war ein mutiger, aber auch ein goldrichtiger Versuch. Frontzeck bewies damit ein goldenes Händchen - und es war wohltuend zu sehen, dass der Coach frühzeitig bereit war, einen spielerischen Missstand zu beseitigen. Und nicht bis zur 70. oder 80. Minute damit zu warten, wie es in der Vergangenheit so oft bei den „Roten“ passierte.
Joselu, den Briand zur Pause abgelöst hatte, musste sich von draußen angucken, was man aus der Position als einziger Stürmer machen kann. Der Spanier hatte auf ganzer Linie versagt, hatte seine großen Möglichkeiten überhaupt nicht ausgeschöpft. Gegen Werder Bremen, das darf man jetzt schon einmal - ohne allzu forsch zu sein - prognostizieren, wird Briand in der Anfangself stehen - und Joselu muss sitzen. Ein Umstand, den sich der Spanier selbst zuzuschreiben hat. Er hat nicht nur gegen Wolfsburg kein Argument für eine neue Nominierung geliefert. Abstiegskampf geht anders, als es der 25-Jährige zuletzt gezeigt hat.
Frontzeck lag noch bei einem anderen Wechsel goldrichtig: die Herausnahme von Leon Andreasen, der in der Volkswagen-Arena der Musik komplett hinterhergelaufen war. Kenan Karaman kam für ihn, brachte anfangs auch neuen Schwung, ging dann aber etwas unter.
Entscheidend war da eher die von Frontzeck vorgenommene taktische Umbesetzung: Er beorderte Manuel Schmiedebach von der Rechtsverteidigerposition ins defensive Mittelfeld. Dort gelang dem schon vor der Pause guten 26-Jährigen, was Andreasen in keiner Phase gelungen war: Er setzte die spielbestimmenden Leute des VfL unter Druck, ärgerte sie mit seiner großen Laufarbeit und seinem ständigen Stören. Kevin De Bruyne oder Maximilian Arnold hatten plötzlich keine Zeit mehr, sich den Ball hin- und herzuschieben. Die Zahl ihrer Zauberpässe nahm rapide ab. Dem 96-Spiel tat der umtriebige Schmiedebach hingegen richtig gut.