Jupp Heynckes ist nicht bekannt dafür, dass er zum Abheben neigt, also mussten seine Spieler am Sonnabend ein wenig nachhelfen. Und, schwupp, da flog der Jupp: Einmal, zweimal, dreimal warfen die Profis des FC Bayern München ihren Trainer nach dem Finalsieg gegen Borussia Dortmund in die Höhe. Und fingen ihn auch wieder auf, das ist ja mindestens genauso wichtig.
Als sich Heynckes geraume Zeit später aufmachte zur Pressekonferenz, da hatte er seine Bodenhaftung wiedergefunden. 68 Jahre ist er jetzt alt, fast sein ganzes Leben hat er dem Fußball gewidmet, erst als Spieler, dann als Trainer. Jetzt erlebt er die wohl glanzvollste Saison seiner Laufbahn, die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass er sich nach all diesen Erfolgen endgültig zur Ruhe setzen wird. Und wenn man ihn so beobachtet nach diesem Endspiel von Wembley, dann taucht fast unwillkürlich die Frage auf, ob dieser Mann auch loslassen und einfach mal den Moment genießen kann.
Heynckes werden viele Fragen gestellt nach diesem Spiel gegen Dortmund, aber ihm gelingt das Kunststück, nicht eine einzige davon konkret zu beantworten. Heynckes steckt noch immer in seiner eigenen Welt, in die er sich vor langer Zeit zurückgezogen hatte, um alles, aber auch alles für den Erfolg zu tun. Und nun könnte er tatsächlich alles gewinnen.
Für Heynckes ist die Arbeit noch nicht beendet. Am kommenden Sonnabend spielen die Bayern noch im DFB-Pokalfinale, niemand in München wäre groß enttäuscht, wenn die Mannschaft die Partie gegen den VfB Stuttgart verlöre. Außer ihm selbst.
Alle drei Titel in der Saison zu gewinnen, Meisterschaft, DFB- und Europapokal: Das ist noch keinem deutschen Chefcoach gelungen, und es wäre ein Stück Genugtuung dafür, dass ihn viele schon als Auslaufmodell abgestempelt hatten.
Erst als vierter Trainer nach Ernst Happel, Ottmar Hitzfeld und José Mourinho hat Heynckes den Europapokal mit zwei unterschiedlichen Vereinen gewonnen: 1998 hatte er bereits Real Madrid zu Europas Fußballkrone geführt. Doch Heynckes spricht nicht groß darüber, wie viel ihm das bedeutet. Er sagt zwar, dass es „natürlich ein Höhepunkt“ sei, diesen Titel zum zweiten Mal gewonnen zu haben und „nicht selbstverständlich und alltäglich“. Aber dann lobt er lieber seine Spieler und seine Kollegen im Trainerstab und verweist auf die harte Arbeit, die hinter alldem steckt.
Im Sommer nun übernimmt Pep Guardiola den FC Bayern, die Fußstapfen, die der Spanier in München vorfindet, sind größer, als er wohl gedacht hatte. „Ich übergebe meinem Nachfolger eine perfekt funktionierende Mannschaft“, sagte Heynckes.
Wann Guardiola der langen Erfolgsliste des FC Bayern den nächsten Titel hinzufügt, wird sich zeigen. Heynckes wird mit Sicherheit noch einen gewinnen: Er wird Europas Trainer des Jahres, jede Wette.