Stressige Chefinnen und ätzende Kollegen: Wie wehrt man sich gegen Nervensägen im Job?
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Es gibt hilfreiche Strategien, um mit Nervensägen im Berufsalltag zurecht zu kommen.
© Quelle: RND-Illustration: Patan
Hannover. Vom ewigen Opfer bis zum abgehobenen Weltverbesserer: „Die neue Generation der Nervensägen ist besserwisserisch, hochmoralisch und dabei aber total egoistisch“, meint Coach Attila Albert. Das bringe vor allem im Berufsalltag eine Menge Konflikte. In seinem aktuellen Buch „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle“ erklärt er lebensnah und mit einem Augenzwinkern, wie man mit Nervensägen umgehen und trotzdem seine Arbeit schaffen kann.
Herr Albert, Sie behaupten, es gebe heute bei der Arbeit mehr Nervensägen als früher. Warum?
Das hat viel mit der Organisation zu tun: Viele arbeiten heute im Großraumbüro, in dem es natürlich lauter zugeht als in einem Zweier- oder Viererbüro. Dazu kommt, dass man im Büro etwa 30 Prozent weniger Platz hat als noch vor 15 Jahren. Außerdem sorgen die ständige Erreichbarkeit durch E-Mails und Chats sowie das wachsende Arbeitspensum für Stress. Alles Reibungspunkte, die dazu führen, dass wir schneller genervt sind.
Wie zeigt sich die zunehmende Nerverei?
Die Gesellschaft ist individualistischer geworden. Jeder erwartet vom anderen mehr Rücksichtnahme, zeigt aber selbst weniger Geduld. Auch haben es viele nie gelernt, mit sozialen Spannungen umzugehen. Im Miteinander fehlen oft Höflichkeit, Respekt und Manieren. Das alles führt zu immer mehr Konflikten.
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Was genau ist daran so anstrengend für das Umfeld?
Nervensäge ist nicht gleich Nervensäge – ihre Nervereien sind sehr unterschiedlich. Hat man aber erst einmal ihre Motive erkannt, kann man ihnen Grenzen setzen. So lassen sich Konflikte entschärfen und aus schwierigen Menschen vielleicht sogar Verbündete machen.
Je nach Motiv und Verhalten bietet sich also eine andere Strategie an?
Genau, im Prinzip lassen sich sieben Nervensägentypen unterscheiden: das ewige Opfer, der verbissene Rechthaber, der schlaffe Zögerer, die fürsorglichen Helferseelen, der übermotivierte Problemlöser, der selbstgerechte Weltverbesserer und der abgehobene Welterklärer.
In Ihrem Buch erklären Sie ausführlich, wie man den verschiedenen Typen begegnen sollte, um Konflikte zu vermeiden beziehungsweise zu entschärfen. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern jeweils eine kleine Zusammenfassung geben? Was tut man zum Beispiel, wenn man es mit einem ewigen Opfer zu tun hat?
Nicht mehr ständig trösten oder helfen. Gewöhnen Sie sich an, die Klagen zu überhören. Ermutigen Sie stattdessen das ewige Opfer dazu, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und kleine, schrittweise Verbesserungen auszuprobieren.
Bei verbissenen Rechthabern?
Bestätigen Sie gelassen deren Ansichten, ohne sie sich zu eigen zu machen. Konzentrieren Sie sich ganz auf Ihre persönliche Unabhängigkeit, um bei zu großem Druck selbstbestimmt entscheiden oder wechseln zu können.
Schlaffe Zögerer?
Akzeptieren Sie, dass manche Menschen überfällige Entscheidungen ewig verschleppen und es insgesamt so für sie passt. Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten, anstatt andere – gegen deren Willen – drängen zu wollen.
Fürsorgliche Helferseelen?
Bedanken Sie sich für deren Bemühungen. Ermutigen Sie sie aber dazu, ihre Vorstellung von Helfen zu erweitern, nämlich Verantwortung auch wieder abzugeben und auf sich zu achten, um selbst stark zu bleiben.
Übermotivierte Problemlöser?
Schauen Sie sich ab, was für Sie sinnvoll ist (zum Beispiel bestimmte Arbeitsmethoden, Organisationstechniken, Werkzeuge). Teilen Sie gleichzeitig klar mit, was Sie derzeit nicht aufnehmen und verarbeiten können.
Selbstgerechte Weltverbesserer?
Messen Sie sie an den selbsterklärten hohen Ansprüchen und ziehen Sie sie in die praktischen Schwierigkeiten und Folgen ihrer Ideen hinein. Das zwingt sie zu mehr Pragmatismus und Kompromissen.
Abgehobene Welterklärer?
Ermutigen Sie sie dazu, ihrem analytischen Urteil eigene praktische Konsequenzen folgen zu lassen. Lassen Sie sie ansonsten reden, vieles bleibt bei theoretischen, ansonsten bedeutungslosen Überlegungen.
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Attila Albert, geboren 1972, ist Kommunikationsexperte, Coach und Autor. In seinem aktuellen Buch ist er den Nervensägen auf der Spur. „Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!” (224 Seiten), erschienen bei Redline, 16 Euro.
© Quelle: Attila Albert
Man braucht also eine kleine Weiterbildung in Sachen Psychologie, um im Berufsleben nicht zu verzweifeln oder durchzudrehen?
Eine Weiterbildung benötigt man dafür natürlich nicht gleich. Ich empfehle drei Schritte: Zuerst sollte man sich fragen, was genau nervt und warum. Zweitens sollte man sich eine Taktik überlegen, wie man am besten darauf reagiert und drittens sollte man empathisch sein, Verständnis zeigen.
Und wenn das alles nicht hilft …
… sollte man darauf achten, sich nicht komplett von einem Arbeitgeber abhängig zu machen, offen zu sein für Veränderungen. Dann sieht man zum einen so manche Nervensäge gelassener, zum anderen schafft man sich die Option, den Job bei Bedarf zu wechseln.
Ihr Buch bezieht sich auf die Nervensägen im Job. Gelten Ihre Kategorisierung und Ihre Tipps auch im Privaten?
Natürlich findet man auch im Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis Nervensägen. Auch hier muss man lernen, mit ihnen auszukommen. Zumal man – vor allem wenn es sich um Familie handelt – nicht so leicht den Kontakt abbrechen kann. Diese Möglichkeit hat man im Berufsleben ja in der Regel immer noch.
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„Sorry, ihr nervt mich jetzt alle!” (224 Seiten) von Attila Albert, erschienen bei Redline, 16 Euro.
© Quelle: Buch-Cover
Erkennt man bei der Lektüre auch, ob man selbst eine Nervensäge ist?
Ja, nur weil man selbst genervt ist, kann man ja trotzdem auch eine Nervensäge sein. Oft glaubt man allerdings, dass betreffe nur die anderen … Das Buch kann dabei helfen, die eigenen Schwächen zu finden, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen – und am Ende vielleicht auch sein eigenes Verhalten zu ändern.