Angriff der Kieferspinnerraupen
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Gefräßige Schädlinge: Gegen diese Überzahl von Kieferspinnerraupen hat der Baum keine Chance. Ob er den Insektenbefall überlebt hat, wird sich erst im Frühjahr zeigen.
© Quelle: von Mirbach
Prezelle. Sie kommen in Millionenzahl und kennen beim Fressen keine Gnade. Kieferspinnerraupen haben ein Waldstück in der Nähe von Prezelle bei Gartow (Kreis Lüchow-Dannenberg) innerhalb weniger Wochen fast kahlgefressen. Die Bäume tragen keine Nadeln mehr, die Rinde hängt in Fetzen von den Kiefern herab. Rund 800 Hektar Wald seien befallen, schätzt Förster Ulrich von Mirbach. Auf einer Fläche von mindestens 50 Hektar seien die Bäume sogar in einem lebensbedrohlichen Zustand. Ob sie den Angriff der Raupen überstanden haben oder nicht, steht erst im nächsten Frühjahr fest. Dann schlagen die Bäume, die überlebt haben, aus.
Die Kieferspinnerraupen, die sich verpuppen und zu Nachtfaltern werden, gelten als gefährlichster Schädling für die Kiefer. Etwa im Sieben-Jahres-Zyklus werden die Nadelbäume im Wendland von dieser Plage heimgesucht. Das Klima der vergangenen Jahre - heiße Frühjahre und lange warme Sommer - hat die Ausbreitung des haarigen Schädlings begünstigt. Für Menschen sind die Raupen ungefährlich.
Dass die Wälder fast nur aus Kiefern bestehen, begünstige die Ausbreitung des Schädlings, sagt Franz Guckeisen, Leiter der Naturschutz- und Waldbehörde beim Landkreis. Nach und nach versuchen die Waldbesitzer, zwischen die schnell wachsenden Kiefern Laubbäume wie Birken zu setzen. Aber die Aufforstung auf den trockenen Sandböden ist mühsam. „Das ist nicht wie in der Landwirtschaft: Da pflügt man heute um, und morgen wächst etwas anderes“, betont von Mirbach, „das dauert Jahrzehnte.“ Zurzeit haben die Bäume Ruhe, denn die gefräßigen Raupen haben sich verpuppt. Im August schlüpfen die Nachtfalter, die dann Eier legen.
In gut vier Wochen wird der nächste Raupenangriff erwartet. Um dies zu verhindern, sollen Hubschrauber Insektizide versprühen. Andere Bekämpfungsaktionen vom Boden aus hätten sich als unwirksam erwiesen, sagt Förster von Mirbach. Rund 3000 Hektar Wald sollen mit dem Pflanzenschutzmittel besprüht werden - pro Hektar werden 50 bis 80 Gramm Insektizid ausgebracht.
Die entsprechende Ausnahmegenehmigung hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) Ende Juni erteilt. „Wäre die Genehmigung früher gekommen, hätten wir den ersten Kahlfraß verhindern können“, sagt von Mirbach. Da die Bearbeitung des Antrag aber so lange gedauert hätte, hätten die privaten Waldbesitzer gleichsam zusehen müssen, wie ihr Eigentum vernichtet worden sei. „Das ist sehr ärgerlich“, findet der Förster.
BVL-Sprecher Andreas Tief weist die Vorwürfe zurück. Der Antrag sei zügig innerhalb von zwei Wochen bearbeitet worden. Für das Pflanzengift, das gegen die Kieferspinnerraupe eingesetzt werden soll, gebe es keine generelle Zulassung. Es dürfe nur in begründeten Notfällen versprüht werden. Im Kieferwald von Gartow herrscht zurzeit so eine Ausnahmesituation.
Nadeln sind die Leibspeise
Kieferspinner sind Nachtfalter aus der Familie der Glucken. Sie sind – außer in Teilen von Spanien, Portugal und Norwegen – in ganz Europa zu Hause. Ihre Larven bevorzugen Kieferwälder mit trockenen Sandböden in Gegenden, in denen es nur wenig regnet. Die Weibchen legen die Eier an die Nadeln, dünne Zweige, Äste und an den Stamm. Im August schlüpfen die Larven und beginnen mit dem Herbstfraß. Die bis zu sieben Zentimeter langen Raupen fressen nur Nadeln von Nadelbäumen, am liebsten Kiefern, aber auch Fichten. Schon einmaliger Kahlfraß kann verheerende Folgen für den Wald haben. Das einzige wirklich wirksame Gegenmittel sind Insektizide.