Ehrenamtliche Probefahrten

Bahntester-Bilanz: Sehr viel Verspätung

Hannover, Hauptbahnhof: Günter Voß prüft seit 33 Jahren ehrenamtlich die Zuverlässigkeit der Bahn.

Hannover, Hauptbahnhof: Günter Voß prüft seit 33 Jahren ehrenamtlich die Zuverlässigkeit der Bahn.

Seesen. Gestartet ist er immer in Seesen. Von seinem Wohnort am Harz aus hat sich Günter Voß 33 Jahre lang zu Bahntestfahrten quer durch Deutschland aufgemacht. Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist der frühere Polizist noch einmal für drei Monate zu Probefahrten quer durch Deutschland aufgebrochen, bis zu 1500 Kilometer pro Tag legte er dabei zurück.

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Es sei sein letzter Test, betonte er, wieder auf eigene Kosten, als ein „Anwalt der Fahrgäste“. Wie immer hat sich Voß detaillierte Notizen gemacht. Nun zieht er zum Abschluss Bilanz. Auch ohne von Streiks oder brennenden Zügen betroffen gewesen zu sein, hält er fest: „Es gab im Fernverkehr reichlich Verspätungen.“

Bei den Fahrten mit insgesamt 91 ICEs kamen Voß’ Aufzeichnungen zufolge 901 Verspätungsminuten zusammen, das sind gut 15 Stunden. Der Bahnexperte stellte dabei deutliche Unterschiede zwischen den Baureihen fest: „Während die ICE 1 und ICE 2 keine nennenswerten Beeinträchtigungen hatten, kam es bei den ICE 4 oft zu Störungen.“ Hauptsächlich habe es Probleme mit den Trittstufen gegeben – wenn diese nicht zügig aus- und eingefahren werden, führt das zu Verzögerungen.

Der ICE 3 wiederum habe sich als sehr zuverlässig und leistungsfähig im Hochgeschwindigkeitsbereich etwa zwischen Berlin und München oder Frankfurt und Köln erwiesen: „Leider kam es oft zu Überfüllungen, weil nur Teilzüge eingesetzt wurden.“

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„Hoher Fahrkomfort“ im Doppelstock-IC

Den Intercity-Doppelstock-Zügen, in denen viele Reisende anfangs „seekrank“ wurden, attestiert der Bahntester mittlerweile hohen Fahrkomfort. „Leider ergaben sich auch hier erhebliche Verspätungen“, sagt Voß. Die von ihm benutzten 20 IC seien auf insgesamt 113 Verspätungsminuten gekommen. Sehr erfreulich empfand der ehrenamtliche Tester dagegen seine Fahrten mit Regionalzügen im Nah- und Mittelstreckenverkehr, Als „komfortabel, zuverlässig und pünktlich“ bezeichnet er die Verbindungen beispielsweise zwischen Uelzen und Göttingen oder Braunschweig und Bielefeld, die von privaten Verkehrsunternehmen betrieben werden.

Wie nach all seinen Bahntests gibt Voß der Bahn zum Abschluss Empfehlungen an die Hand. Aus seinen letzten drei Testmonaten ergibt sich demnach vor allem: Angesichts der zahlreichen Verspätungen müssten Umsteigezeiten in Reiseplänen deutlich großzügiger berechnet werden. „Laut Deutscher Bahn liegt bei der Ankunft eines Zuges erst ab sechs Minuten nach Plan überhaupt eine Verspätung vor“, sagt der 80-Jährige. Er frage sich, wie bei knapp bemessener Umsteigezeit ein Reisender aus dem hinteren Zugbereich eines ICE von 400 Meter Länge seinen Anschlusszug erreichen soll, besonders in Sackbahnhöfen wie München und Frankfurt. Ein weiterer Wunsch des Bahntesters ist eine Reservierungspflicht auf ICE-Strecken zumindest an Sonntagen, wie es die französische Bahn bei ihren TGV-Schnellzügen durchweg vormacht. So könne besser geplant und Überfüllung vermieden werden.

Positiv vermerkt Voß nicht zuletzt: „Die Klimaanlagen haben, bis auf wenige Ausnahmen, gut funktioniert.“ In punkto Freundlichkeit hat sich laut Voß ebenfalls viel Gutes getan. Allerdings könnten die Bahnmitarbeiter nicht immer zufriedenstellend Auskunft geben, weil sie selbst nicht ausreichend informiert seien. Trotz aller Kritik kündigt der Ruheständler an, weiter viel mit der Bahn unterwegs sein zu wollen –von nun an ganz privat, mit einer Eisenbahnzeitschrift als liebster Lektüre.

Von Gabriele Schulte

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