Bürgermeisterin abwesend bei vollen Bezügen
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Silke Lorenz ist Bürgermeisterin Walsrode – und wurde dort seit Monaten nicht mehr gesehen.
© Quelle: HAZ
Hannover. Die finanzielle „Versorgung de luxe“ der Bürgermeister und Landräte in Niedersachsen ist dem Steuerzahlerbund ein Dorn im Auge. „Wann endlich fallen unhaltbare Privilegien der Hauptamtlichen weg?“, fragt der Vorsitzende Bernhard Zentgraf. Ihn beschäftigt zurzeit ein „krasses Beispiel“ aus Walsrode: Die noch bis Ende September amtierende Verwaltungschefin Silke Lorenz wurde seit gut einem halben Jahr nicht mehr in der Region gesehen. Seit Januar bildet sich die Bürgermeisterin weit weg vom Heidekreis mit Praktika fort. Der Rat hat die „Nebentätigkeit“ bei voller Amtsbesoldung genehmigt.
Schon im September vergangenen Jahres hatte Lorenz angekündigt, sich nach nur einer Amtsperiode im Mai nicht mehr zur Wahl zu stellen. Seit Langem hatte es in der Verwaltung und auch bei den Ratsfraktionen Unzufriedenheit mit der Parteilosen gegeben. Die auf eine öffentliche Ausschreibung hin aus einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein geholte Bürgermeisterin war den Erwartungen in der 23.000-Einwohner-Stadt Walsrode nicht gerecht geworden. Die Fraktionen signalisierten ihr früh, eine Wiederwahl nicht unterstützen zu wollen. Im Mai wurde die bisherige Kreisrätin Helma Spöring zu ihrer Nachfolgerin gewählt. Bis zum Amtsantritt im Oktober führt nun Walsrodes Erster Stadtrat die Geschäfte. Bürgermeisterin Lorenz, die weiter ihr volles Gehalt kassiert, orientiert sich unterdessen beruflich neu – mit einem Studium für europäisches Verwaltungsmanagement, zu dem auch Praktika im Ausland gehören.
Eine solche Nebentätigkeit in der Ferne ist aus Sicht des Steuerzahlerbundes nicht zu vertreten. Zentgraf hat das Innenministerium in Hannover jetzt schriftlich um Stellungnahme gebeten, „welche Maßnahmen die Kommunalaufsicht unternommen hat, um die höchst fragwürdige und vermutlich auch rechtlich nicht zu haltende Amtsführung der Walsroder Bürgermeisterin zu unterbinden“. Die Praktika schließlich „machen wegen der großen Distanz eine für die Amtsausübung an sich erforderliche körperliche Präsenz der Bürgermeisterin im Rathaus nicht möglich“.
Die Stadt sowie der Heidekreis als Aufsichtsbehörde weisen das zurück. Auch ohne (Teil-)Verzicht auf ihre Bezüge waren offenbar alle Beteiligten froh, Lorenz recht geräuschlos in die Wüste schicken zu können. Eine Abwahl wäre zeit- und ebenfalls kostenaufwendig gewesen, meint der Kreis. Und: „Bei den Praktika handelt es sich um keine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit.“ Im Innenministerium wiederum heißt es: „Als Aufsicht zuständig ist zunächst der Landkreis.“
Was den Bund der Steuerzahler wurmt: Zum Januar dieses Jahres hat Niedersachsen die Besoldung der Bürgermeister und Landräte noch mal kräftig erhöht. Davon werden Lorenz und andere Ausscheidende auch im Ruhestand profitieren. „Wie in Walsrode kehrt etwa in Wildeshausen der ebenfalls 46-jährige Bürgermeister nach acht Jahren der Stadt den Rücken, ohne sich einer Wiederwahl gestellt zu haben“, sagt Zentgraf. Gleiches gelte für die 53-jährige Hamelner Oberbürgermeisterin. Der Verband fordert den Landtag auf, die Ruhestandsversorgung künftig von Amtszeit und Lebensalter abhängig zu machen. Nur noch in Hessen und Brandenburg gebe es derart großzügige Regelungen auf Kosten der Steuerzahler.