Der längste Schwarzbau der Republik soll legalisiert werden
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Illegal, gesperrt und ein ewiger Zankapfel: die Umgehungsstraße von Bensersiel.
© Quelle: dpa
Bensersiel. Das 2,1 Kilometer lange Bauwerk trägt den offiziellen Namen „kommunale Entlastungsstraße“ . Das darf man inzwischen witzig finden. Die Umgehungsstraße, die den Autoverkehr um den kleinen Ort Bensersiel an der Nordseeküste herumführen sollte, ist längst eine Belastungsstraße.
Die Trasse wurde illegal gebaut und musste gesperrt werden. Alle Versuche der Gemeinde, das Projekt nachträglich zu legalisieren, sind gescheitert. Jetzt hat die Stadt Esens, zu der Bensersiel gehört, einen weiteren Versuch unternommen und einen neuen Bebauungplan für die Straße aufgestellt.
Die Vorgeschichte ist ellenlang. Die EU hat vor Jahren ein Vogelschutzgebiet an der Küste festgelegt, das vom Land nicht sofort übernommen wurde. Dennoch war es mit dem EU-Beschluss ein „faktisches“ Schutzgebiet, sprich: Man konnte da nicht mehr machen, was man wollte. Bensersiel plante und baute dennoch die Straße, und dabei enteignete die Stadt einen Grundstücksbesitzer, einen pensionierten Richter, auf dessen Gelände sich die halbe Straße befindet.
Der Mann klagte gegen die Enteignung, verlor erst, gewann dann. Am Ende war klar: Die 2011 für den Verkehr freigegebene Straße hätte niemals gebaut werden dürfen. Versuche der Gemeinde, die Angelegenheit mit juristischen Kniffen zu beheben, scheiterten. Letztes Jahr musste die Straße, weil illegal, gesperrt werden. Der Bund der Steuerzahler verlieh dem 8,4 Millionen Euro teuren Bauwerk den Titel „längster Schwarzbau der Republik“. Der Abriss drohte.
Mit dem jüngsten Beschluss des Stadtrates tut die Stadt Esens so, als gäbe es noch gar keine Straße, und erlässt einen nagelneuen Bebauungsplan. „Wir gehen davon aus, dass diese Planung jetzt gerichtsfest ist“, sagt Bürgermeister Harald Hinrichs. Er sagt auch, er hoffe auf eine gütliche Einigung mit dem klagenden Eigentümer.
Wenn man dort nachfragt, klingt das allerdings anders: Die Stadt mache nur unzureichende Angebote – ein Rauskaufen des Klägers aus seinem Grundstück für drei Millionen Euro oder nur aus der Straßenfläche für 1,5 Millionen bei vollständigem Verzicht auf jede weitere juristische Einspruchsmöglichkeit sei nicht akzeptabel. Zuvor hatte der Bürgermeister schon mal öffentlich erzählt, man habe dem Kläger vier Millionen angeboten, obwohl es darüber gar keinen Beschluss gab.
Auch der neue Bebauungsplan, sagt der Kläger, berücksichtige die europäische Rechtslage nicht ausreichend. Hinrichs sieht das nicht so: Der Gemeinde sei bewusst, dass die Straße durch ein EU-Vogelschutzgebiet führe, und sie bemühe sich um einen entsprechenden Ausgleich. Der Bürgermeister: „Wir gehen mit einem guten Gewissen aus den Planungen.“
Der Richter will auch gegen den neuen Bebauungsplan klagen. Vor dem Landgericht Aurich ist außerdem noch ein Verfahren gegen die Gemeinde wegen Schadenersatz anhängig.
Von Bert Strebe