Gnadengesuch von Ex-SS-Mann Gröning abgelehnt
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Der Angeklagte Oskar Gröning 2015 im Gerichtssaal in Lüneburg.
© Quelle: dpa
Lüneburg. Der wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilte frühere SS-Mann Oskar Gröning ist mit seinem Gnadengesuch gescheitert. Das teilte die Staatsanwaltschaft Lüneburg am Mittwoch mit. Im Lüneburger Auschwitz-Prozess war Gröning 2015 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 96-Jährige soll nun zügig die Haft antreten.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte angekündigt, Gröning zeitnah die Ladung zum Strafantritt zu schicken. Eine Beschwerde aus Gesundheitsgründen hatte das Bundesverfassungsgericht abgewiesen.
Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen
Gröning wurde im Juli 2015 vom Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen im Vernichtungslager Auschwitz zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt. Er habe durch das Bewachen von Gepäck und das Verwalten der Gelder der Gefangenen die Morde gefördert, heißt es in dem Urteil, das seit September 2016 rechtskräftig ist.
Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht nach Grönings Beschwerde einen Haftaufschub abgelehnt. Zuvor hatten bereits das Landgericht Lüneburg und das Oberlandesgericht Celle ihn für haftfähig erklärt. Sein Anwalt hält den 96-Jährigen dagegen für nicht haftfähig.
Vernünftige Justiz oder „Rache“
An dem Urteil gibt es auch Kritik. Der Hamburger Strafrechtler und Rechtsphilosoph Reinhard Merkel hält eine Vollstreckung der Gefängnisstrafe für den früheren SS-Mann Oskar Gröning wegen des hohen Alters des Verurteilten für falsch. Mit Blick auf Gröning als Person ergebe eine Haft keinen Sinn, sagte Merkel dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Weder ist ein Mann im Alter von 96 Jahren resozialisierungsbedürftig, noch darf man an einem Täter eine Form der schieren Vergeltung, also archaisch formuliert, der bloßen Rache, ausüben.“
Der „Buchhalter von Auschwitz“
Oskar Gröning hat im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz das Geld der Verschleppten gezählt und an die SS in Berlin weitergeleitet. Der sogenannte Buchhalter von Auschwitz wurde dazu im Herbst 1942 eingeteilt, weil er eine Banklehre absolviert hatte. Der Freiwillige der Waffen-SS wechselte 1944 in eine Einheit, die an der Front kämpfte. Nach seinen Angaben geschah das erst nach dem dritten von ihm gestellten Versetzungsgesuch. Nach dem Krieg kam Gröning zunächst in britische Gefangenschaft, dann lebte er mit Frau und Kindern ein bürgerliches Leben in der Lüneburger Heide. Erst Mitte 1985 öffnete er sich. In einer Dokumentation der britischen BBC berichtete er über das, was er in Auschwitz gesehen und getan hatte. Er selbst beschrieb sich dabei als „Rädchen im Getriebe“. Gröning hat 2005 auch dem „Spiegel“ von seiner Zeit in Auschwitz berichtet. Das Porträt „Der Buchhalter von Auschwitz“ schildert den am 10. Juni 1921 in Nienburg an der Weser geborenen Gröning als jemanden, der seit Jahrzehnten nach einem anderen Wort für Schuld sucht. Das Landgericht Lüneburg verurteilte den heute 96-Jährigen im Juli 2015 wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen zu vier Jahren Haft, die Entscheidung ist rechtskräftig. Gegen Gröning war bereits 1977 ermittelt worden. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte das Verfahren im März 1985 aber ein. Eine Wiederaufnahme wurde später abgelehnt.
Von dpa/epd