Glyphosat

Immer mehr Kommunen verbannen Pestizide

auf von Stadt Rotenburg verpachteter Fläche

auf von Stadt Rotenburg verpachteter Fläche

Hannover. Teufelszeug oder unverzichtbar? Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat ist umstritten. Während die Bundesregierung in Berlin über ein mögliches Verbot nachdenkt, verbannen In Niedersachsen immer mehr Kommunen das Herbizid auch von ihren landwirtschaftlich genutzten Flächen. „Ganz ohne Gift“ ist mancherorts Voraussetzung für neue Pachtverträge. Dagegen sagen viele Landwirte, sie kämen ohne Glyphosat nicht zurecht.

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Die Kleinstadt Rotenburg an der Wümme hat es vorgemacht – lange bevor die Diskussion um das möglicherweise krebsfördernde Glyphosat europaweit Fahrt aufnahm. Seit 2007 gilt nach Angaben der Stadt ein Ratsbeschluss, dass dort keine Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. 2015 kam die Auflage für die Pächter hinzu, in der Brut- und Setzzeit nicht mehr zu mähen.

„Das stadtnahe Grün ist uns schon sehr lange wichtig“ , sagt Elisabeth Quentin, die in der Umweltbehörde von Rotenburg unter anderem für die landwirtschaftlich genutzten Pachtflächen zuständig ist. Die Biologin freut sich über die Artenvielfalt am Rand der Moor- und Flussgebiete. Wo früher geackert wurde, weideten nun Rinder und Dartmoor-Ponies. Auf den Wiesen machen sich Blutweiderich, Mädesüß und die in Deutschland seltene Schachblume breit. Knapp 50 Hektar seien in Grünland umgewandelt worden.

Verzicht auf die „chemische Keule“

Die Bemühungen haben Rotenburg schon 2012 die Mitgliedschaft im  „Bündnis für biologische Vielfalt“ und 2016 bei einem Wettbewerb den Siegertitel „Wildbienenfreundlichste Kommune Niedersachsens“ eingebracht. Die Stadt habe die Umwandlung gleichzeitig genutzt, um Ausgleichsflächen für neue Baugebiete zu schaffen. Das kommt sie durchaus teuer zu stehen: Die Hälfte der Pacht sei den betroffenen Landwirten erlassen worden, berichtet Quentin. Dementsprechend habe es mit den Bauern auch keinerlei Probleme gegeben.

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Auch Rotenburgs Bürgermeister Andreas Weber ist sehr zufrieden, dass „die chemische Keule“ in seiner Kommune nicht zum Einsatz kommt:  „Wir hoffen, dass möglichst viele jetzt nachziehen.“ Sein Vater, erzählt der 60-Jährige, habe früher als Pflanzenschutzberater gearbeitet: „Damals war das Insektizid DDT Thema, auch das ist nach Jahrzehnten verboten worden.“

Auf Nichtkulturflächen ist Glyphosat seit 2015 nach dem niedersächsischen Pflanzenschutzgesetz verboten. Eine Sprecherin von Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU9 weist darauf hin, dass dies für alle nicht alle weder landwirtschaftlich noch forstwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzten Flächen gilt. Umweltminister Olaf Lies fordert darüber hinaus ein „baldiges definiertes Ende von Glyphosat“ auch im Ackerbau. Schließlich gehe es auch um den Erhalt der Artenvielfalt und die Nahrungsmittelproduktion: „Es darf auf keinen Fall nur ein ,weiter so' geben.“

Viele schon lange „Glyphosatfreie Kommune“

Das haben sich viele Kommunen ebenfalls gedacht. Glyphosat-Verzicht üben etwa seit längerem  Göttingen und Celle, Hameln, Wolfsburg und Salzgitter, sowie in Hannover in der Gartenordnung.  Eine offizielle Liste gibt es nicht, dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sind in Niedersachsen zurzeit 20 „Glyphosatfreie Kommunen“ bekannt – mit unterschiedlicher Ausprägung. Neuzugang ist etwa Braunschweig, das seit Februar auf chemische Unkrautvernichter verzichtet. „Auf Sportanlagen setzt die Stadt seit Herbst 2017 thermische Verfahren ein“, sagt eine Sprecherin. Das erste Zwischenfazit mit den Gasbrennern falle positiv aus. Für Pachtflächen gelte die Regelung nicht. Dagegen bezieht die Nachbarstadt Peine neuerdings auch Pachtverträge ein.

In Uelzen wehrt sich das Landvolk gegen einen Vorstoß der örtlichen SPD, auch die von der Stadt verpachtete 48 Hektar in das Verbot einzubeziehen. Die Entwicklung könne sich leicht auf andere Flächeneigentümer im Kreis, etwa die Kirche, auswirken, fürchtet Kreislandwirt Thorsten Riggert. „Plötzlich sagen dann alle: Bei uns kein Glyphosat mehr.“ Dabei sei das Mittel insbesonder im Kampf gegen die Quecke unbedingt nötig.  Und Zwischenfrüchte unterzupflügen, statt sie vor der Getreideaussaat totzuspritzen, wäre viel zu aufwendig.

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Alternativen zu Glyphosat sind teuer

Holger Kreye, Pflanzenberater bei der niederächsichen Landwirtschaftskammer, hält die Glyphosat-Diskussion für „eindeutig politisch“. Die Kritik sei im Zusammenhang mit gentechnisch veränderten, Glyphosat-resistenten Nutzpflanzen entstanden, die es hierzulande nicht gibt. Auch der Agrarwissenschaftler weist auf die hohen Kosten alternativer Unkrautvernichtung hin: „Früher wurde aufwändig abgesammelt und abgeharkt, das ist bei dem heutigen Lohnniveau nicht mehr zu bezahlen.“

Nach Ansicht des BUND gilt das allenfalls für die konventionelle Landwirtschaft in ihrer jetzigen Form. „Die Öko-Landwirte kriegen das mit abwechslungsreicheren Fruchtfolgen gut in den Griff und damit, dass sie Lebensraum für Nützlinge schaffen“, sagt Mitarbeiterin Corinna Hölzel, die Kommunen zu dem Thema berät. Der Naturschutzverband fordere schon lange, die EU-Agrarsubventionen an ölkologische Leistungen zu binden. Die Pachtflächen der Kommunen seien den Landwirten ohnehin häufig unter Marktwert überlassen worden, eine Pachtminderung daher nicht nötig.

Das meint auch Holger Bahrenburg im Rathaus von Sottrum (Kreis Rotenburg). Dort hat der Rat beschlossen, den landwirtschaftlichen Pächtern Glyphosat zu verbieten. Dies betreffe „eine Handvoll Landwirte“, sagt der Gemeindedirektor. „Sie sind auf die Flächen angewiesen und nehmen das Glyphosatverbot in Kauf.“

Von Gabriele Schulte 

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