Niedersachsens neue Pflegekammer räumt Fehler ein
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Sandra Mehmecke wurde im August 2018 zur Präsidentin der neuen Pflegekammer Niedersachsen gewählt.
© Quelle: dpa
Hannover. Die niedersächsische Pflegekammer sieht sich mit breiter Kritik an ihren Beitragsbescheiden konfrontiert. Die seit August bestehende Kammer hatte an die Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege kurz vor Weihnachten Briefe mit der Aufforderung verschickt, für das zweite Halbjahr 2018 einen Pflichtbeitrag von 140 Euro zu überweisen. Sollten die zur Mitgliedschaft Verpflichteten das zugrunde gelegte Jahreseinkommen von 70000 Euro unterschreiten und weniger zahlen wollen, müssten sie innerhalb von vier Wochen Belege beibringen. Auf dieser Grundlage werde der Beitrag von 0,4 Prozent der Einkünfte neu berechnet. Insgesamt sind nach Angaben des Sozialministeriums rund 80000 Pflegefachkräfte in Niedersachsen beschäftigt. Die umstrittene Pflegekammer soll ihre Interessen vertreten.
Das Vorgehen missfällt nicht nur Betroffenen, sondern auch dem niedersächsischen Sozialministerium. "Wir hätten uns gewünscht, dass eine neue Institution, mit der Pflegekräfte künftig besser vertreten werden, erst einmal Vertrauen aufbaut und ihre Stärken deutlich macht," sagte Staatssekretär Heiger Scholz am Donnerstag. Sozialministerin Carola Reimann werde auf eine Überarbeitung der Beitragsordnung drängen. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste in Hannover wies auf eine am Tag vor Heiligabend gestartete neue Petition von Gegnern der Zwangsmitgliedschaft in der Kammer hin, die schon mehr als als 12.000 Menschen in Niedersachsen unterstützten.
Anruferansturm bei der Pflegekammer
Bei der Pflegekammer liefen am Tag nach Weihnachten die Telefone heiß, die Leitungen brachen zeitweise zusammen. „Es gibt viel Beratungsbedarf“, sagte Sprecher Tino Schaft der HAZ. Die zu einem unglücklichen Zeitpunkt verschickten Zahlungsaufforderungen hätten etliche Empfänger verunsichert und zum Teil empört. Dabei sei das zugrunde gelegte Jahreseinkommen eine eigentlich eher theoretische Größe. Wenig später meldete sich auch Kammerpräsidentin Sandra Mehmecke zu Wort: „Selbstverständlich geht die Pflegekammer davon aus, dass nur wenige Pflegefachpersonen 70000 Euro pro Jahr verdienen“, erläuterte sie. „Die Kammerversammlung wird die Beitragsordnung für zukünftige Erhebungen sehr genau prüfen.“ Sie bedauere zudem den Zeitpunkt der Versendung zur Weihnachtszeit.
Auch bei der HAZ meldeten sich am Donnerstag entrüstete Pflegekräfte. „Mir ist weiterhin nicht klar, weshalb der Mitgliedsbeitrag zwangsweise erhoben wird“, meinte etwa Stephanie Habel aus Obernkirchen (Kreis Schaumburg). Sie seit seit fast 30 Jahren im Beruf, davon die Hälfte in einer Klinik-Notaufnahme. Die zusätzliche finanzielle Belastung sei angesichts von Pflegenotstand und eher geringen Einkommen in der Branche ein schlechtes Signal. Jutta Hojdem aus Oldenburg, in der ambulanten Pflege tätig, berichtete von Kollegen mit Migrationshintergrund, die durch eine Strafandrohung im Bescheid der Pflegekammer stark eingeschüchtert worden seien und die Möglichkeit eines Widerspruchs gegen die Beitragshöhe nicht nutzten: „Sie haben aus Angst gleich an Heiligabend die volle Summe überwiesen.“
Von Gabriele Schulte