Schlachthöfe bald mit Videokameras?
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Das Schlachten soll in vielen niedersächsischen Betrieben bald mit Kameras überwacht werden.
© Quelle: picture alliance / dpa
Westerstede. Nach schockierenden Filmaufnahmen und Vorwürfen von Tierschützern wegen Tierquälerei gegen einige Schlachthöfe will das Land die Kontrollen verschärfen. Als ersten Schritt hat Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) mit Vertretern von Fleischwirtschafts- und Handelsverbänden und der kommunalen Veterinärbehörden am gestrigen Dienstag in Westerstede (Landkreises Ammerland) eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet. Kern des sechs Punkte umfassenden Textes ist die Empfehlung, Videokameras in Schlachthöfen einzuführen.
Neben Otte-Kinast unterzeichneten der Verband der Fleischwirtschaft, der Vieh- und Fleischhandelsverband Niedersachsen, der Fleischerverbandes Nord sowie der Niedersächsische Landkreistag, der die kommunalen Veterinärbehörden vertritt, die Vereinbarung. In den Verbänden sind mehr als 270 Schlacht- und Fleischereibetriebe in Niedersachsen organisiert.
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Ministerin Barbara Otte-Kinast (3. v.l.) mit Prof. Dr. Hubert Meyer (NLT, von links), Landrat Jörn Bensberg (Landkreises Ammerland), Hermann Kruse und Dirk Meinardus (Vieh- und Fleischhandelsverband Niedersachsen), Dr. Heike Harstick (Verband der Fleischwirtschaft) und Herbert Dohrmann (Fleischerverband Nord)
© Quelle: Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Die Unterzeichnenden „befürworten und unterstützen die Einführung kameragestützter Überwachungssysteme“ und empfehlen ihren Mitgliedern „auf freiwilliger Basis“ die Installation von Videokameras, heißt es in der Vereinbarung. Insbesondere sollen die Kameras aufzeichnen, wie Tiere entladen, betäubt und getötet werden. Die Aufnahmen werden zunächst nur von den Betrieben selbst ausgewertet, könnten aber den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt werden.
Betriebe sollen sich freiwillig um Tierwohl kümmern
Die Initiative ist nur eine von vielen, die den Tierschutz in der Fleischindustrie verbessern soll, teilte das Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium mit. Am kommenden Freitag werde Niedersachsen einen Gesetzesentwurf im Bundesrat einbringen, der Videoüberwachungssysteme verbindlich einführen soll. Da dieser aber erst alle parlamentarischen Schranken durchlaufen müsse, habe man mit der freiwilligen Vereinbarung eine erste schnelle Lösung gefunden, sagt Sabine Hildebrandt, Sprecherin des Agrarministeriums. „Wer es mit dem Tierwohl ernst meint, wird sich daran halten.“
Schlachthöfe könnten belastende Aufnahmen löschen
Umweltverbände sehen die freiwillige Vereinbarung kritisch. Tilman Uhlenhaut, agrarpolitischer Sprecher des BUND Niedersachsen, sagt: „Die wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen stehen leider oft im Gegensatz zum Tierschutz.“ Mitarbeiter ständen unter Zeitdruck und hätten nicht immer die geeignete Qualifikation. Die Überwachung dürfe daher nicht den Unternehmen überlassen werden, sagt Uhlenhaut. „Der Bildschirm darf dann nicht beim Chef im Büro stehen, sondern muss beim Veterinäramt sein.“
Auch die Grünen befürchten, dass Betriebe belastende Aufnahmen löschen könnten. „Die Systemfehler in der Schlachtindustrie lassen sich nicht mit Selbstverpflichtungen lösen“, sagte Miriam Staudte, tierschutzpolitische Sprecherin der Grünen. Die eigentlichen Ursachen für die Missstände in der Fleischindustrie, wie Preisdruck und Akkordarbeit, seien mit der Vereinbarung nicht angegangen worden.
Vorwürfe gegen Tierquälerei in Niedersachsen
Zuletzt waren Missstände in einem Oldenburger Schlachthof bekannt geworden, die durch geheime Videoaufnahmen von Tierschützern an die Öffentlichkeit gelangten. Die vermeintlichen Tierquälereien sollen bereits seit Jahren bekannt gewesen sein. Die geheimen Aufnahmen hatten die Tierschützer im September und Oktober gemacht. Gegen den Schlachthof haben Tierschützer und das niedersächsische Agrarministerium Strafanzeige gestellt.
Auch gegen einen Schlachtbetrieb in Hannover-Laatzen gab es den Verdacht der Tierquälerei. Der Verein Deutsches Tierschutzbüro hatte Anzeige erstattet. Auf heimlich aufgenommenen Bildern war zu sehen, wie Schweine unnötig mit Elektroschockgeräten bearbeitet werden. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatten einige Großkunden dem Schlachthof kein Fleisch mehr abgenommen.
Von Lisa Neugebauer