Wird Mord nach 30 Jahren aufgeklärt?
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„Dafür lohnt der Kampf“: Anwalt Wolfram Schädler (rechts) mit Vater Hans von Möhlmann in Celle.
© Quelle: Westhoff
Celle. Der Mord an einer 17 Jahre alten Schülerin in Celle könnte mehr als 30 Jahre nach der Tat aufgeklärt werden. Ein heute 56-Jähriger steht im Verdacht, das Mädchen im November 1981 in einem Wald bei Hambühren vergewaltigt und getötet zu haben. Das Landgericht Lüneburg verurteilte ihn im Juli 1982 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, vor allem weil Reifenspuren am Leichenfundort ihn belasteten. Der Mann bestritt die Tat, der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies den Fall nach Stade. Das dortige Gericht sprach den Angeklagten schließlich 1983 frei. Eine zentrale Rolle spielten wieder die Autoreifen. Ein Sachverständiger war der Meinung, dass die Spuren am Tatort nicht mit denen vom BMW des Angeklagten übereinstimmten.
Die Beweismittel in dem ungeklärten Mordfall wurden jetzt mit neuen Untersuchungsmethoden wieder unter die Lupe genommen, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Celle am Dienstag sagte. Dabei seien DNA-Spuren gesichert worden, die nahelegen, dass der damals Tatverdächtige die 17-Jährige in dem Wald vergewaltigt habe.
Mehr als 30 Jahre nach der Tat versuchen Hans von Möhlmann, der Vater des Opfers, und sein Anwalt Wolfram Schädler mit einer Zivilklage doch noch zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu kommen. Sie wagen sich dabei auf juristisch äußerst heikles Terrain. Einen vergleichbaren Fall habe es laut Schädler bisher nicht gegeben.
Denn es gilt das Prinzip der Rechtssicherheit. Einer einmal freigesprochenen Person darf in der gleichen Sache nicht ein zweites Mal der Prozess gemacht werden. Egal, wie schwerwiegend die Indizien erscheinen. Anders läge der Fall, wenn die Ermittlungen seinerzeit eingestellt worden wären. Dann könnten Polizei und Staatsanwaltschaft jetzt wieder ermitteln.
Neue Erkenntnisse gab es 2012, weil Hans von Möhlmann immer wieder insistiert hat, die Sache nicht auf sich beruhen zu lassen. Er suchte Kontakt zum damaligen Innenminister Uwe Schünemann. Mit Methoden, die in den Achtzigerjahren nicht zur Verfügung standen, wurde an einer Binde der Getöteten eine männliche DNA-Spur nachgewiesen. Bei einem Vergleich mit den Haaren des damals Verdächtigen erwiesen sich beide Proben als identisch. Außerdem soll es inzwischen Zweifel an der Richtigkeit des Reifengutachtens geben. Wo der Verdächtige heute lebt, sagt die Polizei nicht. „Er wohnt in einem Ort in Niedersachsen“, sagt der Celler Polizeisprecher Thorsten Wallheinke.
Zivilrechtliche Ansprüche sind verjährt. Ein Strafprozess könnte nur dann wieder aufgerollt werden, wenn der Täter gesteht. Weil dieser Weg versperrt scheint, hat Schädler Zivilklage eingereicht. Er macht eine Summe von 21 000 Euro geltend. Schmerzensgeld. Doch darum geht es nicht. Es geht ihm um nicht weniger als Gerechtigkeit. „Ich bin sehr hoffnungsvoll, dass es zu einer Verurteilung kommen wird“, sagt der Vater, der seit vielen Jahren in Hannover lebt.
Das Problem: Zivilrechtliche Ansprüche verjähren nach 30 Jahren. Der Beklagte könnte sich darauf berufen, müsste aber mit dem schweren Vorwurf der Vergewaltigung und des Mordes leben. Oder, so die vage Hoffnung der Kläger, er lässt die Vorwürfe in einem neuen Verfahren prüfen. „Sie durfte das Leben nicht führen, das der Täter geführt hat. Das lohnt den Kampf“, sagt der Anwalt. Bevor er stirbt, wolle er die Verurteilung des Mörders seiner Tochter erleben, sagt Hans von Möhlmann. Fraglich bleibt nur, ob das Gesetz in diesem Fall für Gerechtigkeit sorgen kann.
Von Simon Ziegler und Christina Sticht